Landwirtschaftsminister Günther auf der Agrarministerkonferenz: »Hunger bekämpfen wir nicht, indem wir Ökologie preisgeben«
01.04.2022, 17:05 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)
Sachsens Landwirtschaftsminister Wolfram Günther hat an der diesjährigen Frühjahrskonferenz der Agrarministerinnen und -minister von Bund und Ländern teilgenommen. Er nahm am Freitag (1.4.) als Vertreter des Sprecherlandes der grünen Landwirtschaftsministerinnen und -minister an der abschließenden Pressekonferenz teil.
Aus diesem Anlass sagte Günther: »Putins verbrecherischer Angriffskrieg hat Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit in der Welt. Diese Agrarministerkonferenz stand daher im Zeichen des Ukraine-Krieges.
An erster Stelle steht jetzt Hilfe für die Ukraine, für die Länder, die von Getreideexporten aus der Ukraine abhängig sind, und für das UN-Welternährungsprogramm. Wir, die bündnisgrünen Landwirtschaftsministerinnen und -minister, sind offen und diskussionsbereit für alle sinnvollen Lösungsvorschläge, die nicht Krise gegen Krise ausspielen.
Es wird diskutiert, ob die Preisgabe mühsam geeinter ökologischer Trendwenden die Ernährungssicherheit erhöht. Bei diesen Diskussionen ist ganz dringend Sachlichkeit und ein Blick auf die Fakten angebracht.
Es darf jetzt keine Rolle rückwärts geben. Eine Rolle rückwärts wäre schädlich und gefährlich. Hunger bekämpfen wir nicht, indem wir ökologische Ruhezonen und Puffer für Artenvielfalt für den Anbau freigeben. Erstens haben wir kein Mengenproblem. Sondern Hunger entsteht durch fehlende Kaufkraft und dysfunktionale Märkte. Dort muss unser Handeln ansetzen. Zweitens lägen die zusätzlichen Produktionskapazitäten, wenn Stilllegungsflächen bebaut würden, im Zehntel-Prozent-Bereich. Der Schaden für Umwelt und Artenvielfalt wäre hingegen enorm.
Wenn wir unsere Böden übernutzen, wenn wir Klimakrise und Artensterben nicht stoppen, riskieren wir Ertragsausfälle und die Sicherheit der Lebensmittelversorgung weit in die Zukunft. Es ist schädlich und gefährlich, den Krieg in der Ukraine zum Vorwand zu nehmen, wichtige Trendwenden für Artenvielfalt, Umwelt und Klimaschutz zurückzudrehen.
Ökologische Flächen sind doch kein Selbstzweck! Drei Jahre Dürre in Folge haben in Sachsen gezeigt, wie wichtig Strukturen in der Landschaft sind, die heißen, trockenen Wind etwas entgegensetzen, wie wichtig Humusbildung und Blühflächen für Insekten und Artenvielfalt sind. Landwirtinnen und Landwirte auf eigentlich begünstigten Standorten mitten in Sachsen leiden auf einmal unter den Folgen von Klimakrise und Biodiversitätskrise. Unterlässt man die Bekämpfung dieser Krisen, gefährdet man die Ernährungssicherheit, trägt aber nichts zur Lösung der Folgen dieses Krieges bei.
Statt über Vorschläge von gestern zu debattieren, müssen wir gesamtgesellschaftlich über die Effizienz sprechen, mit der wir landwirtschaftliche Ressourcen nutzen wollen. Für mich gilt: Klarer Vorrang für Teller vor Trog, klarer Vorrang für Teller vor Tank.«
Auf der Frühjahrs-Agrarministerkonferenz wurde auch über die Nutztierhaltungs-Strategie der neuen Bundesregierung diskutiert. Günther: »Die neue Bundesregierung wird in kurzer Zeit die längst überfällige verbindliche Tierhaltungskennzeichnung auf den Weg bringen. Das ist ein wichtiger Erfolg. Endlich gibt es hier Bewegung. Gesellschaft, Verbraucherinnen und Verbraucher haben klare Erwartungen an die Tierhaltung. Der Bund setzt das jetzt in die Tat um und bezieht dabei die Expertise der Bundesländer ein. Die Pläne des Bundes bedeuten Planungs- und Investitionssicherheit für die sächsischen Landwirtinnen und Landwirte. Und sie bedeuten Transparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie können endlich informierte Kaufentscheidungen treffen und so über die Zukunft der Tierhaltung mitbestimmen.«