Geschehen am Landtag am Abend des 17.6.2014
19.06.2014, 15:54 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)
Gemeinsame Erklärung des Innenministeriums und des Landtags
Gegen 20:15 Uhr trafen die Teilnehmer der um 19:50 Uhr beendeten NPD-Kundgebung auf dem Landtagsvorplatz ein. Deren Absicht war es, von dort aus die Heimreise individuell anzutreten.
Zeitweise Störversuche auf dem Weg vom Haus der Presse zum Gelände des Sächsischen Landtages wurden durch Polizeikräfte unterbunden und die Störer auf der Höhe Devrientstraße, Ecke Bernhard-von-Lindenau-Platz gebunden. In der Folge kamen weitere Störer – darunter etwa 40 Gewaltbereite – über die neue Terrasse auf den Landtagsvorplatz und versuchten die ehemaligen NPD-Kundgebungsteilnehmer rennenderweise zu erreichen. Die vor Ort handelnden Polizeikräfte konnten das unmittelbare Zusammentreffen der beiden Gruppen verhindern, nicht aber die notwendige Distanz herstellen, um die ungehinderte Abreise der NPD-Gruppierung zu gewährleisten.
In dieser Situation kam der Vertreter des Sicherheitsbeauftragten des Sächsischen Landtages auf den Polizeiführer vor Ort zu, um die Situation zu erörtern. Im Vorfeld dazu hatte der Vertreter des Sicherheitsbeauftragten die an der ehemaligen Kundgebung teilnehmenden Abgeordneten der NPD-Fraktion gebeten, sich in das Haus des Sächsischen Landtages zu begeben oder zurückzuziehen. Dieser Bitte wurde durch keinen der Abgeordneten Folge geleistet.
Die vom Polizeiführer aufgestellte Gefahrenprognose basierte auf den folgenden Tatsachen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung zugänglich waren.
• „Entglasung“ eines PKWs eines NPD Versammlungsteilnehmers im Bereich Marienbrücke,
• teilweises Auftreten von vermummten Angreifern gegenüber „ehemaligen Kundgebungsteilnehmer“ der NPD-Kundgebung im Bereich Kleine Packhofstraße, Ecke Devrientstraße,
• zweimaliger Bewurf von Einsatzkräften mit Glasflaschen im Bereich der Maxstraße,
• mitgeführte Plakate/Losungen, u. a.; „Ihr habt eine Stunde Zeit, unsere Stadt zu verlassen!“, die Konfrontationsabsichten erkennen ließen.
• Die aufgeladene, tumultartige Gesamtsituation im näheren Umfeld des Sächsischen Landtags.
In den Abwägungsprozess wurden gleichermaßen einbezogen die Würdigung erkannter Handlungsmuster aus dem Bereich der Stadt Leipzig in der jüngeren Vergangenheit sowie die persönlichen Einsatzerfahrungen des Polizeiführers.
Aufgrund dieser Gefahrenprognose wurden die sich bietenden drei Handlungsalternativen:
a) Aufsuchen der Semperoper-Tiefgarage durch die „ehemaligen Versammlungsteilnehmer“ der NPD,
b) Weiteres Verweilen dieser Personen im Eingangsbereich des Altbaus des Sächsischen Landtages und
c) Genehmigung des Zugangs dieser Personen zum Sächsischen Landtag
abgewogen.
Alternative a) schied aus, da ein freier und damit sicherer Zugang zu den Zugängen der Tiefgarage auf den Bernhard-von-Lindenau-Platz durch die genau dort agierenden Störergruppen nicht möglich war. Die Polizeikräfte an diesem Ort wären nicht in der Lage gewesen, einen sicheren Zugang zu der Tiefgarage zu schaffen. Der Versuch hätte zu diesem Zeitpunkt zu einer Lageeskalation beigetragen.
Alternative b) schied aus, da bereits auf dem Weg zum Sächsischen Landtag gewalttätige Übergriffe auf diese Versammlungsteilnehmer nur durch unmittelbarem Zwang gegenüber dieser Störergruppe verhindert werden konnte.
Deshalb wurde auch unter Berücksichtigung der Schutzverpflichtung der sächsischen Polizei gegenüber allen vor Ort handelnden Akteuren einschließlich der Mitglieder des Sächsischen Landtages die Alternative c) favorisiert.
Der Vertreter des Sicherheitsbeauftragten des Sächsischen Landtages wurde durch den Polizeiführer gefragt, ob zu Schutzzwecken die Möglichkeit der Betretung des Sächsischen Landtages für die „ehemaligen Kundgebungs-teilnehmer“ bestehe. Durch diesen wurde die Anfrage bejaht. Die Begleitung des Aufenthaltes im Sächsischen Landtag lag dann ausschließlich in der Hand des Vertreters des Sicherheitsbeauftragten. Die Organisation des Verlassens des Gebäudes erfolgte nach Lagebeurteilung durch Polizeivollzugsdienst in Gruppen sortiert nach Fahrgemeinschaften.
Letztendlich konnte mit dieser Vorgehensweise sowohl ein wiederholter Angriff auf die ehemaligen Teilnehmer der NPD-Kundgebung vermieden, als auch die Gesamtsituation entspannt werden.