„Wir brauchen Dialog statt Hetze“
18.10.2015, 10:00 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)
Gemeinsame Erklärung von Ministerpräsident Stanislaw Tillich und dem stellvertretenden Ministerpräsidenten und Wirtschaftsminister Martin Dulig
„Meinungsfreiheit, Demonstrationsfreiheit und politische Partizipation sind im Rahmen des Grundgesetzes ein hohes Gut. Wenn Menschen ihre Meinung auf die Straße tragen, sich politisch und gesellschaftlich engagieren, dann können sie vieles erreichen.
Immer öfter werden diese Werte von den Organisatoren im Rahmen der stattfindenden Demonstrationen ausgenutzt. Wir erleben eine zunehmende Radikalisierung gegen Flüchtlinge, Asylbewerber, Helfer, Journalisten und Politiker. Wer hetzt, hat die Grenze der Meinungsfreiheit lange überschritten. Dadurch wird der Zusammenhalt unserer Gesellschaft aufs Spiel gesetzt. Gewalttätige Übergriffe vor Asylbewerberheimen, auf Journalisten, auf Politiker und Helfer dulden wir nicht. Jeder muss sich genau anschauen, an welchen Demonstrationen er sich beteiligt. Er teilt dadurch die Auffassungen und Äußerungen der Anmelder dieser Demonstrationen.
Sachsen, Deutschland und Europa stehen angesichts der anhaltenden Flüchtlingsbewegung vor einer großen Herausforderung, die uns die kommenden Jahre fordern wird. Das führt berechtigt zu Fragen und Sorgen. Aber wir können auf diese nur eingehen und sie beantworten, wenn wir miteinander im Gespräch bleiben. Nur wer im Dialog zuhört und sachlich bleibt, kann verstehen und am Ende auch gestalten. Wir brauchen Dialog statt Hetze. Wir appellieren deshalb an alle gesellschaftlichen Kräfte - Kirchen, Vereine, Verbände, Unternehmen, Schulen und Politik - solche Formen des Dialoges zu schaffen.
Unsere Verantwortung gilt den sächsischen Bürgerinnen und Bürgern ebenso wie den bei uns Schutzsuchenden. Dass sich so viele hilfsbereite Sachsen bei der Aufnahme, Betreuung, Versorgung und Integration der Flüchtlinge und Asylbewerber engagieren, ist nicht selbstverständlich. Es ist unsere Aufgabe, diese Hilfsbereitschaft nicht zu überlasten. Und es ist unsere Aufgabe denjenigen, die voller Sorge und Zweifel sind, zuzuhören und ihre Ängste auszuräumen.
In den vergangenen Wochen haben wir bereits viel bewegt – sei es bei den Kapazitäten in der Erstaufnahme, bei der Unterstützung der Kommunen bei der Unterbringung, bei der Förderung von Integration oder auch bei der Versorgung der Asylbewerber. Wir erleben eine Welle an Hilfsbereitschaft. Mit den in dieser Woche verabschiedeten Gesetzesänderungen im Asylrecht werden die Verfahren jetzt beschleunigt. Das kommt allen Beteiligten zugute: Den Ländern und Kommunen, den Menschen bei uns im Freistaat, die an der Grenze des Machbaren angekommen sind; aber auch den berechtigt Schutzbedürftigen, die sich schneller in unsere Gesellschaft integrieren können. Wenn Integration richtig gemacht wird, ist sie eine enorme Chance für unser Land und unsere Kultur. Es gibt unzählige Beispiele in unserem Land, wo dies gut gelingt. Das ist nicht zuletzt dem unermüdlichen Einsatz von Kommunen, Verbänden, Vereinen, Unternehmen, Kirchen und den vielen freiwilligen Helfern zu verdanken. Nur gemeinsam können wir die Herausforderung meistern.
Wer versucht, diese Prozesse durch Gewalt, rassistische oder demokratiefeindliche Parolen zu stören und Hass unter der Bevölkerung zu verbreiten, der wird zur Rechenschaft gezogen. Diejenigen, die das tun, haben ihr Recht auf Dialog und Verständnis verwirkt. Sie wollen die ernsthaften und teilweise auch berechtigten Sorgen und Fragen der Bevölkerung ausnutzen für ihre fremdenfeindlichen Ziele und Parolen, die weit entfernt von einem Problemlösungsprozess sind. Schauen Sie daher genau, wem Sie sich anschließen und in welcher Form Sie die demokratische Auseinandersetzung mit den aktuellen Herausforderungen suchen.“