Meilensteine in der sächsischen Vielfalts- und Antidiskriminierungsarbeit

19.09.2022, 17:28 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)

Start des Fortschreibungsprozesses zum Landesaktionsplan Vielfalt und Veröffentlichung erster Ergebnisse der sächsischen Diskriminierungsstudie

Das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) hat im vergangenen Jahr eine Studie zu »Diskriminierungserfahrungen in Sachsen« durchgeführt. Diese wurde vom Sächsischen Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung (SMJusDEG) in Auftrag gegeben.

Die Studie zeigt, dass mehr als jede zweite Person in Sachsen im Zeitraum zwischen Frühjahr 2019 und Frühjahr 2021 eine Form von Ausgrenzung oder Benachteiligung erfahren hat. Dabei wurden unterschiedliche Formen von Diskriminierung unter anderem entlang des Geschlechts, der religiösen Zugehörigkeit, der äußeren Erscheinung, des Lebensalters, einer Behinderung oder der sexuellen Orientierung abgefragt.

Für den Erhebungszeitraum der Jahre 2019 bis 2021 gaben beispielsweise 16 Prozent der Befragten an, mindestens einmal sexuelle Belästigungen erlebt zu haben. Sieben Prozent gaben an, sexualisierte Gewalt erlebt zu haben. Andere Formen der Diskriminierung sind zwar weniger gravierend, dafür häufiger. Fast ein Drittel aller Befragten haben es schon mindestens einmal erlebt, dass ihnen Intelligenz oder eigene Fähigkeiten abgesprochen (29 Prozent), ihre Leistungen abgewertet wurden (28 Prozent) oder dass sie in Behörden respektlos behandelt wurden (27 Prozent).

»Besonders groß ist das Risiko, diskriminiert zu werden, für sexuelle und geschlechtliche Minderheiten, für Menschen mit Behinderungen sowie Menschen, die von rassistischen Zuschreibungen betroffen sind«, sagt Prof. Dr. Sabrina Zajak, Leiterin der Abteilung »Konsens & Konflikt« am DeZIM-Institut. »Während der Pandemie haben zudem besonders Alleinerziehende und Menschen, die zu einer Risikogruppe in Bezug auf Gesundheit gehören, verstärkt Diskriminierung erfahren. Viele Betroffene berichteten zudem einen Anstieg von antiasiatischem Rassismus.«

Knapp ein Drittel der sächsischen Befragten mit Kontakten im Lebensbereich Arbeitsleben in den letzten zwei Jahren gaben an, im Kontext von Erwerbsarbeit Diskriminierungserfahrungen gemacht zu haben. Medien und Politik wurden besonders häufig für stereotype Darstellungen und für die mangelnde Repräsentation von Minderheiten kritisiert. Auch der Kontakt mit öffentlichen Stellen und Behörden wird nicht immer als diskriminierungsfrei wahrgenommen, wie die genannten Diskriminierungserfahrungen in den Bereichen Bildung, Justiz, Behörden und Polizei anzeigen. Ebenfalls wurden von jedem fünften bis zu jedem vierten Befragten Situationen mit einer subjektiv unrechten Schlechterstellung im Rahmen des Privat- und Geschäftsverkehrs erlebt.

Diskriminierungserfahrungen haben für Betroffene gravierende emotionale und gesundheitliche Folgen. Fast die Hälfte der Befragten (45 Prozent) nannte Depressionen oder andere Belastungsstörungen als Folge. 27 Prozent der Befragten gaben körperliche Beschwerden an. Mehr als zwei Drittel (69 Prozent) der Befragten in der Betroffenenbefragung gab an, infolge von Diskriminierungserfahrungen öfter traurig oder gestresst zu sein.

Die Ergebnisse der Studie in Sachsen unterscheiden sich allerdings kaum von den Ergebnissen einer bundesweiten Befragung, die zum Vergleich durchgeführt wurde, noch von vergleichbaren Studien. Sachsen ist also kein Sonderfall. Die Studie zeigt vielmehr, dass es sich dabei um ein gesamtgesellschaftliches Problem handelt.

Dr. Andrea Blumtritt, Landesbeauftragte für Antidiskriminierung in Sachsen: »Die Studie belegt, dass Diskriminierung in allen Lebensbereichen eine Rolle spielt. Ob beim Einkaufen oder am Arbeitsplatz: Es braucht vielfältige Ansätze, um Diskriminierungsschutz wirksam umzusetzen. Hierfür brauchen wir ein konstruktives Zusammenwirken der Ressorts, der Vereine und Verbände sowie das couragierte Handeln aller Sächsinnen und Sachsen.«

Die Ergebnisse der Studie werden nun genutzt werden, um die Antidiskriminierungsarbeit der nächsten Jahre zu gestalten. Ganz aktuell werden die Ergebnisse in den Fortschreibungsprozess des Landesaktionsplanes Vielfalt einfließen, welcher im September mit einem umfangreichen Beteiligungsprozess aufgenommen wird. Aufbauend auf den Ergebnissen beider Studien, »Lebenslagen von lsbtiq* Personen in Sachsen« und »Diskriminierungserfahrungen in Sachsen« werden nun die Landesstrategien der Vielfalts- und Antidiskriminierungsarbeit weiterentwickelt.

Heute, am 19. September 2022 starteten die Fachworkshops für die Fortschreibung des Landesaktionsplans im Bereich geschlechtliche und sexuelle Vielfalt. An sieben Tagen werden verschiedene Akteurinnen und Akteure aus Verwaltung, Zivilgesellschaft und Politik zusammenkommen, um sich gemeinsam auf neue Maßnahmen für den Landesaktionsplan zu verständigen. Dabei wird es um verschiedenste Lebensbereiche, zum Beispiel Justiz, Polizei, Bildung und Familie, gehen. Die Beschlussfassung für den neuen Maßnahmenplan ist für 2023 geplant.

Zum Hintergrund der Studie »Diskriminierungserfahrungen in Sachsen«

Die Betroffenenbefragung in Sachsen wurde im Zeitraum zwischen dem 11. März und dem 30. Juni 2021 durchgeführt, daran nahmen 1.576 Menschen teil. Die Bevölkerungsbefragung in Sachsen fand zwischen dem 1. Juni und 9. September 2021 statt, daran nahmen 2.169 Menschen teil. Vergleichend wurde im Juni 2021 eine bundesweite Bevölkerungsbefragung durchgeführt. Gefragt wurde, ob und welche Art von Diskriminierung Menschen zwischen Frühjahr 2019 und Frühjahr 2021 erlebt haben.

Erstmals wurde für diese Studie nach verschiedenen Formen der Diskriminierung in Sachsen gefragt – entlang des Geschlechts, der religiösen Zugehörigkeit, der äußeren Erscheinung, des Lebensalters, einer Behinderung, der sexuellen Orientierung, aufgrund von rassistischen Zuschreibungen, der Herkunft oder dem sozioökonomischen Status.

Verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen aus dem Bereich der Antidiskriminierungsarbeit haben diese Studie mit ihrer Expertise unterstützt. Da dieser Zeitraum maßgeblich durch die Covid-19-Pandemie geprägt war, wurde zudem gefragt, wie sich die Pandemie und die Maßnahmen zu deren Eindämmung auf Diskriminierungserfahrungen ausgewirkt haben.

Quellen

DeZIM Insights, Zusammenfassung #1: »Diskriminierung erlebt?! Diskriminierungserfahrungen in Sachsen – Ergebnisse einer Betroffenenbefragung, sächsischen Bevölkerungsbefragung und bundesweiten Vergleichsbefragung«. Lara Kronenbitter, Sophia Aalders, Miriam Meksem, Janne Schleifer & Steffen Beigang. Juli 2022, DeZIM.

»Lebenslagen von lsbtiq* Personen in Sachsen; Ergebnisse und Handlungsbedarfe«; Herausgeber: Sächsisches Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung; 15.06.2022

Im Juni dieses Jahres wurde die Studie »Lebenslagen von lsbtiq* Personen in Sachsen« veröffentlicht. Sie erforschte erstmals spezifisch für Sachsen die Lebenslagen von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans*geschlechtlichen, intergeschlechtlichen, nicht-binären und queeren (lsbtiq*) Menschen und erhob Daten zu ihren Erfahrungen in vielen verschiedenen Lebensbereichen. Der Studienbericht ist auf der Homepage des SMJusDEG kostenfrei abrufbar (Link einfügen).

Auf diesen Meilenstein folgen nun weitere wichtige Schritte in der sächsischen Vielfalts- und Antidiskriminierungsarbeit.

Erste Ergebnisse veröffentlicht das DeZIM in einer Zusammenfassung, der das Studiendesign, die zentralen Ergebnisse der Studie sowie Schlussfolgerungen entnommen werden können. Die Zusammenfassung ist ebenso auf der Website des Justizministeriums abrufbar. Die vollständigen Ergebnisse der Studie werden im November 2022 nach Drucklegung veröffentlicht.


Kontakt

Sächsisches Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung

Pressesprecher Dr. Alexander Melzer
Telefon: +49 351 564 15011
Telefax: +49 351 564 16189
E-Mail: presse@smj.justiz.sachsen.de
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