"Schocken, Merkur und Centrum. Arbeiten im Warenhaus"

19.09.2024, 11:10 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)

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Rechts: Siglinde Scheunert bei einem fototauglichen Verkaufsgespräch im Konsum, Chemnitz, ca. 1952 (© privat)

Rechts: Siglinde Scheunert bei einem fototauglichen Verkaufsgespräch im Konsum, Chemnitz, ca. 1952 (© privat)

Eine kleine Ausstellung ab dem 20.09.2024 im Foyer des smac - Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz

Ab dem morgigen Freitag, 20. September 2024, präsentiert das smac – Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz – in seinem Foyer die Ausstellung »Schocken, Merkur und Centrum – Arbeiten im Warenhaus«. Zu sehen sind originale Bauteile, Verkaufswaren sowie Dokumente und Lebensgeschichten von Angestellten des ehemaligen Kaufhaus Schocken. Das Kaufhausgebäude ist heute Sitz des Archäologiemuseums. Die Exponate erzählen von politischen Veränderungen, Enteignung und Mangelwirtschaft und spiegeln somit den Wandel zwischen 1930 und 1990 wider.

Eintritt frei
Führung mit anschließendem Getränk am 26.09., 18:30 Uhr
Teilnahme: 4 € / Anmeldung unter buchung@smac-shop.de

Kuratorin Dr. Yvonne Schmuhl: »Die Idee zu der kleinen Ausstellung kam mir bei der Digitalisierung jener Objekte, die der Kaufhausgeschichte zuzuordnen sind. Hier fielen mir neben den schön gestalteten Bauteilen aus den 1930er Jahren vor allem die persönlichen Geschichten ins Auge. Die Geschichte von Erika Müller ist eine von ihnen. Frau Müller hat von Anbeginn im Kaufhaus Schocken gearbeitet, wurde in Zeiten der Kaufstätte Merkur zum Flugmeldedienst einberufen und verkaufte später Seifen, als das Kaufhaus zur HO gehörte. Sogar eine Zeitzeugin stand uns Rede und Antwort: Siglinde Scheunert ist die Großmutter einer smac-Kollegin. Sie erzählt in einem Video über ihre Ausbildung zur Fachverkäuferin für Industriewaren beim Konsum.«

Woher stammen die Exponate?

Das ehemalige Chemnitzer Kaufhaus Schocken ist seit 2014 Sitz des sächsischen Landesarchäologiemuseums. Für die Umnutzung vom Warenhaus zum Museum sanierten Architekten aus Dresden und Stuttgart das Gebäude umfassend und denkmalgerecht. Hierbei stellte ein Mitarbeiter exemplarisch Bauteile aus den verschiedenen Nutzungsphasen sicher. Und auch das smac rief noch vor seiner Eröffnung die Bevölkerung auf, Dokumente, Waren und Fotos aus der Kaufhaus-Zeit vorbeizubringen. Einige der Objekte sind seitdem dauerhaft in der Ausstellung zur Geschichte des Kaufhaus Schocken im smac zu sehen. Andere dagegen lagern im Magazin und werden nach und nach digitalisiert.

Drei Kaufhausphasen zwischen 1930 und 1990

1_ Kaufhaus Schocken (1930 – 1938)
Das Chemnitzer Kaufhaus Schocken war Teil des einst in Sachsen agierenden Schocken Konzerns. Der Architekt Erich Mendelsohn (1887-1953) zeichnete hierbei nicht nur für die wegweisende geschwungene Fassade mit horizontalen Fensterbändern verantwortlich. Er legte auch bei der Inneneinrichtung größten Wert auf modernes und qualitativ hochwertiges Design.
Generell war der Schocken-Konzern einer der modernsten Deutschlands. Durch ein ausgeklügeltes Preissystem und den Vertrieb von Produkten der Eigenmarken waren die Preise für die meisten Kunden erschwinglich. Darüber hinaus hatte der Konzern eine fortschrittliche Personalphilosophie. So erhielten Angestellte als Anerkennung Jubiläumsbücher für eine lange Betriebszugehörigkeit. Ein konzerneigenes Erholungsheim in Rautenkranz stand für Urlaube zur Verfügung.

2_Kaufstätte Merkur (1933/38 – 1945)
Der Kaufhauskonzern wurde im Jahr 1938 enteignet und in die Merkur Aktiengesellschaft überführt. Enge Mitarbeiter von Konzerngründer Salman Schocken führten die Geschäfte weiter. Baulich wird an dem noch recht neuen Gebäude nichts geändert – außer: der Name SCHOCKEN verschwindet über den Eingangstüren. Die einst klar und strukturiert gestalteten Schaufenster zeigten nun (deutsche) Idealwelten, später auch Militärhelme.

Bis etwa 1940 behielt die Geschäftsleitung die moderne Arbeitsphilosophie bei. Aber bereits ab der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann eine schwere Zeit: Nicht nur der Konzern selbst musste vor dem Zugriff der Nazis geschützt werden. Auch die Mitarbeitenden und die nichtjüdische Kundschaft waren in Gefahr. Viele nichtjüdische Angestellte wurden ab 1939 für den Kriegsdienst eingezogen.

3_ Konsum, HO, Centrum (1945 – 1990)
Den Krieg hatte das Gebäude ohne größere Schäden überstanden. Mit der Gründung der DDR hieß das Haus unter der jeweiligen Verwaltung Konsum, HO bzw. HOWA und ab 1965 Centrum Warenhaus. Die Nachkriegszeit war eine Zeit des Mangels, was sich in den Bauteilen und Waren widerspiegelt.
Die ursprüngliche Größe der Schaufenster verkleinerte man mithilfe von hölzernen Einbauten. Statt hochwertig vernickeltem Messing kam nun billiges Aluminium zum Einsatz. Vorhandenes wurde umgearbeitet.
Verkäuferinnen und Verkäufer in der HO oder im Konsum mussten den Mangel verwalten. Wer ein besonderes Produkt wollte, musste lange vor Ladenöffnung da sein, Beziehungen haben oder selbst im Warenhaus angestellt sein. Zur »Festigung der sozialistischen Arbeitsmoral« zeichnete man Einzelne oder Kollektive aus, z.B. durch schriftliche Belobigung, Geld- oder Sachprämien mit Urkunde oder auch durch Auszeichnung als Aktivist.

Pulsschlagdie Betriebszeitung der HOWA
Dankbar sind wir Ramona Neumann. Sie hatte schon im Centrum-Warenhaus gearbeitet und wurde nach der Wende bei der Übernahme des Gebäudes durch den Kaufhof weiterbeschäftigt und zog auch mit um in das neue Gebäude am Markt. Sie übergab dem smac kürzlich die alten Ausgaben der Betriebszeitung »Pulsschlag« der HOWA. Die Beiträge berichten von Betriebsausflügen, vom sozialistischen Leben und Erfolgen bei der Erfüllung des Monatsplans.

Mit besten Grüßen,
Jutta Boehme
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am smac

PRESSEKONTAKT
Jutta Boehme
mail: presse@smac.sachsen.de
tel: 0371. 911 999 65


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