On the road again – für faire Bedingungen auf der Autobahn
24.05.2022, 09:00 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)
Beratungen für LKW-Fahrer am Dresdner Tor
Von der Trucker-Romantik des vergangenen Jahrhunderts ist wenig übriggeblieben. LKW-Fahrer haben einen knallharten Job. Sie fahren tausende Kilometer quer durch Europa, immer unter Zeitdruck. Ihr Wohn- und Schlafzimmer ist die Führerkabine, oft sind sie für Wochen nicht zu Hause. Der Anteil von Fahrern aus Osteuropa auf deutschen Straßen steigt kontinuierlich an. Die Fahrer erhalten häufig deutlich weniger Geld als ihre deutschen Kollegen, Überstunden werden nicht bezahlt und hoher Zeitdruck ist ein massiver Stressfaktor.
Sachsen ist ein wichtiges Transitland für den internationalen Warenverkehr. Die vom Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (SMWA) finanzierte Beratungsstelle für ausländische Beschäftigte in Sachsen (BABS) hat deshalb in dieser Woche mit LKW- Fahrern direkt an »ihrem Arbeitsplatz« gesprochen und an der Autobahn A4 am Dresdner Tor insgesamt 75 Trucker über ihre Rechte beraten, die sie häufig nicht kennen.
Ines Fröhlich, Staatssekretärin im SMWA hat die Aktion begleitet. »Wir setzen uns für Gute Arbeit in Sachsen ein – und zwar für ausnahmslos alle Beschäftigte in allen Branchen. Das erklärte Ziel ‚Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort‘ bedeutet in der Praxis für viele Fahrer: enorme Arbeitsbelastung für eine Bezahlung deutlich unter geltendem Tariflohn. Es geht um eine Gruppe von EU-Ausländern, die oft um den Mindestlohn geprellt wird. Auf ihrem Rücken wird zu oft das betriebswirtschaftliche Risiko der Angebotskalkulation, über die volle Auslastung der LkW-Flotten rund um die Uhr und die Entlohnung, ausgetragen. Mit unserer Beratungsstelle wollen wir einheimische und ausländische Arbeitnehmer und Arbeitgeber vor unfairem Wettbewerb und Lohndumping schützen. Nur wer seine Rechte kennt, kann für sie kämpfen.«
Der Vorsitzende des DGB Sachsen Markus Schlimbach wies auf die harten Arbeitsbedingungen der LKW-Fahrer und die Bedeutung der Beratungsstelle BABS hin. »Wir Gewerkschaften stehen für die Gleichbehandlung und für gleiche Rechte aller Beschäftigten, egal woher sie kommen. Während der Pandemie haben die LKW-Fahrer dafür gesorgt, dass die Regale in den Supermärkten nicht leer waren und die Lieferketten nicht komplett zusammengebrochen sind. Sie leisten harte Arbeit und wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass ihre Rechte eingehalten werden. Die BABS leistet einen wichtigen Beitrag, um Beschäftige aus dem Ausland vor Arbeits- und Sozialdumping zu schützen. Im Kampf für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne in Sachsen ist noch viel zu tun. Ein wichtiger Baustein für die Durchsetzung von Guter Arbeit ist die Information und Beratung der Beschäftigten vor Ort an den Betrieben oder wie hier auf der Raststätte.«
Leona Bláhová, Leiterin und Beraterin der BABS: »Wir haben auf der Raststätte LKW-Fahrer aus verschiedenen Ländern angesprochen. Sie kamen aus Polen, Rumänien, Ungarn, Tschechien, aus der Slowakei, Bulgarien oder der Ukraine. Einige waren bereit, uns über ihr Leben auf den Straßen und Parkplätzen zu berichten. Viele waren für die Informationsflyer und Kontakte zur Beratungsstelle ausgesprochen dankbar. Für sie ist es wichtig zu wissen, dass es in Sachsen und auch bundesweit Stellen gibt, wo sie kostenfrei Rat und Hilfe bekommen, wenn sie Fragen zu ihren Rechten und Ansprüchen haben oder über ihre Arbeitsbedingungen sprechen wollen - und das in ihrer Muttersprache.«
Hintergrund
Im Rahmen von »Guter Arbeit« ist es ein Ziel des SMWA, ausländische Beschäftigte vor Ungleichbehandlung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und einheimische Arbeitnehmer und Arbeitgeber vor unfairem Wettbewerb wie Lohndumping zu schützen. Mit der BABS wurde ein Beratungsangebot für ausländische Beschäftigte zu Fragen im Zusammenhang mit ihrer Beschäftigung in Sachsen geschaffen. Faire Arbeitsbedingungen und gleiche Rechte auf dem deutschen Arbeitsmarkt stehen im Vordergrund. Im Auftrag des SMWA wird die BABS seit Januar 2018 vom IGR ELAN e. V. an den Standorten Leipzig und Dresden betrieben.
- Die BABS hat von Januar 2018 bis Ende Dezember 2021 insgesamt 5016 Personen beraten.
- Der Großteil der Ratsuchenden (55,9 Prozent) war sozialversicherungspflichtig beschäftigt, gefolgt von der Gruppe der Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter (20,41 Prozent).
- Die Mehrheit der Ratsuchenden kam aus Tschechien (40,97 Prozent), gefolgt von Polen (29,49 Prozent) und Rumänien (12,34 Prozent).
- 10,93% der BABS-Ratsuchenden können der Transport-/Logistik-Branche zugeordnet werden; die größten Gruppen sind Leiharbeit (22,69 Prozent) und Gebäudereinigung (14,15 Prozent).
- Zwischen 01.01.2018 bis 31.12.2021 wurden insgesamt 130 mobile Einsätze durchgeführt und 3.861 Personen bei mobilen Einsätzen erreicht. Mobile Einsätze reichen von Info-Aktionen für LKW-Fahrer auf Autobahnraststätten sowie für Beschäftigte vor und in Betrieben mit den Gewerkschaften bis hin zu Seminaren, Workshops und Beratungstagen für ausländische Beschäftigte, die mit verschiedenen Partnern in ihren Räumlichkeiten durchgeführt wurden.
- Im Zusammenhang mit COVID-19 wurden im Zeitraum von März 2020 bis Dezember 2021 insgesamt 1067 Fälle bearbeitet. Die BABS-Beratung wurde nicht nur von Arbeitnehmer*innen, sondern auch von Arbeitgeber*innen und Selbstständigen aufgesucht. Meistens handelte es sich um Anfragen von Grenzgänger*innen aus Tschechien und Polen, die am häufigsten von der Grenzschließung bzw. den Quarantäneregelungen in den Nachbarländern betroffen waren.
- Die häufigsten Gründe für das Aufsuchen der Beratung waren Entlohnung / Entgelt, COVID-19, Kündigung und Arbeitsvertrag / Tarifvertrag.