Arbeitsminister Dulig: »Zwölf Euro Mindestlohn sind gut – ersetzen aber keine Tarifabschlüsse«
01.06.2022, 13:27 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)
Der Bundestag wird am Freitag die von der Ampelkoalition geplante Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro beraten und voraussichtlich verabschieden. Nach der Zustimmung des Bunderates soll die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohnes zum 1. Oktober wirksam werden.
Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig sagte heute im Sächsischen Landtag: »Die Einführung des Mindestlohnes 2015 war sicherlich der erheblichste Sprung im Lohngefüge Sachsens. Auch wenn dieser bereits damals zu gering bemessen war. Dies wird nun korrigiert.«
Minister Dulig weiter: »Der Mindestlohn trägt zu einem fairen und funktionierenden Wettbewerb bei. Wir brauchen einen angemessen hohen und fairen Mindestlohn, dort wo Tariflöhne nicht greifen, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Lange Zeit wurde die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Sachsen hauptsächlich über niedrige Arbeitskosten definiert; generell wurde billige Arbeit im In- und Ausland zum Standortvorteil für Investitionen stilisiert. Hier hat sich aber der Wind gedreht. Möglichst gute Arbeitsbedingungen, darunter gute Mindest- und Tarifvergütungen sind zum Wettbewerbsmaßstab geworden und dies hat vor allem mit dem Ringen um Fachkräfte zu tun. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind das wichtigste Kapital eines Unternehmens. Attraktive Arbeitsbedingungen, Wertschätzung und Anerkennung, eine Kultur des Miteinanders und aktive Mitbestimmung sind elementar wichtige Faktoren erfolgreicher Unternehmen. Der Mindestlohn ist gut, ersetzt aber eben keine stärkere Tarifbindung mit ordentlichen Tarifabschlüssen. Für diese werbe ich immer wieder.«
Bei der Tarifbindung ist in Sachsen seit mehreren Jahren eine Seitwärtsbewegung nach einem starken Rückgang in den 90er Jahren zu verzeichnen. Zum Vergleich: im Jahr 1996 waren in Sachsen noch 70 Prozent der Beschäftigten mit Tarifvertrag. Im Jahr 2021 arbeiteten in Sachsen 42 Prozent der Beschäftigten in Betrieben mit Tarifvertrag (Beschäftigte in Betrieben mit Branchentarif: 30 Prozent; Beschäftigte in Betrieben mit Haus-/Firmentarif: 12 Prozent).
Produzierendes Gewerbe:
Beschäftigte in Betrieben mit Tarifvertrag: 43 Prozent (Beschäftigte in Betrieben mit Branchentarif: 34 Prozent; Beschäftigte in Betrieben mit Haus-/Firmentarif: 9 Prozent)
Dienstleistungssektor:
Beschäftigte in Betrieben mit Tarifvertrag: 37 Prozent (Beschäftigte in Betrieben mit Branchentarif: 26 Prozent; Beschäftigte in Betrieben mit Haus-/Firmentarif: 11 Prozent)
Hintergrund
Bundesweit profitieren etwa 6,2 Mio. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von der Mindestlohnerhöhung. Zum Vergleich: Im Bund gibt es gut 38 Mio. Beschäftigungsverhältnisse, in Sachsen etwa 1,68 Mio., davon ca. 611.000 mit einem Bruttostundenverdienst unter zwölf Euro pro Stunde.
Eine im Jahr 2021 erstmals vorgelegte Studie des SMWA zur Umsetzung des Mindestlohngesetzes im Freistaat Sachsen bestätigt die außerordentliche Betroffenheit des Freistaates Sachsen. Gründe hierfür sind unter anderem:
o die vergleichsweise geringe betriebliche Mitbestimmung und niedrige Tarifbindung,
o die kleinteilige Unternehmensstruktur und ländlich geprägte Siedlungsstruktur sowie
o die Lage als Grenzregion zu Polen und Tschechien.
Mit Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes bekamen rund 13 Prozent aller Beschäftigten in Sachsen per Gesetz mehr Lohn. In keinem anderen Bundesland haben anteilig mehr Beschäftigte von der Mindestlohneinführung profitiert.