Deutlicher Rückgang von Ermittlungsverfahren wegen Leistungserschleichung während der Geltungsdauer des »9-Euro-Tickets«
07.12.2022, 10:00 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)
Die sächsischen Staatsanwaltschaften melden einen deutlichen Rückgang der Zahl der Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Erschleichens von Leistungen (§ 265a StGB) während der Geltungsdauer des sog. »9-Euro-Tickets«. Wurden noch in den Monaten Januar bis April 2022 zwischen 678 und 916 Ermittlungsverfahren wegen Leistungserschleichung eingeleitet, betrug die Anzahl neuer Verfahren in den Monaten Juni 121 (Juni 2021: 898), im Juli 96 (Juli 2021: 923) und im August 47 (August 2021: 933).
Justizministerin Katja Meier: »Strafrecht muss ultima ratio sein. Es ist an der Zeit, das Fahren ohne Fahrschein aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Unsere Zahlen zum 9-Euro-Ticket zeigen deutlich, dass durch eine kostengünstige und allgemeine Fahrpreisgestaltung Straftaten der Beförderungserschleichung drastisch reduziert werden. Dies führt nicht nur dazu, dass statt des Autos der klimafreundliche ÖPNV genutzt wird. Sondern es führt auch zu einer Entlastung unserer Gerichte und letztlich der Gefängnisse. Dies spart Kosten für die Allgemeinheit. Denn etliche Geldstrafen wegen Fahrens ohne Fahrschein werden letztlich als Ersatzfreiheitsstrafe im Gefängnis vollstreckt, weil die Geldstrafe aus sozialen Gründen durch die Betroffenen nicht beglichen wird. Mit solchen, meist kurzen Freiheitsstrafen ist der Gesellschaft jedoch nicht geholfen, gerade Sozialschwache sind davon besonders betroffen. Wir können unsere Ressourcen besser einsetzen. Deshalb sollte der Bundesjustizminister nun schnell einen Gesetzesentwurf vorlegen, mit dem das Fahren ohne Fahrschein entkriminalisiert wird.«
Zuletzt beschäftigten sich die Justizministerinnen und Justizminister auf der Herbstkonferenz in Berlin mit dem Thema »Fahren ohne Fahrschein«. Im Ergebnis wurde der Beschluss gefasst, das Fahren ohne Fahrschein soll künftig nicht mehr als Straftat gewertet und der bisher geltende Straftatbestand (Paragraf 265a Abs. 1 StGB) ersatzlos gestrichen werden. Die Justizministerinnen und Justizminister baten daher den Bundesminister der Justiz, im Zuge der geplanten Modernisierung des Strafrechts, auch die Aufhebung der Strafbarkeit des Fahrens ohne Fahrschein in den Blick zu nehmen und diesbezüglich einen Gesetzesvorschlag zur Aufhebung der Strafbarkeit zu unterbreiten sowie den entsprechenden Gesetzgebungsprozess anzustoßen.
Basierend auf dem Tageshaftkostensatz des Jahres 2020 ergaben sich in Sachsen folgende Kosten für die Vollstreckungen der Ersatzfreiheitsstrafen:
2021
insgesamt: 9,81 Mio. € (70.044 Tage x 140,13 €)
davon § 265a StGB 1,21 Mio. € (8.651 Tage x 140,13 €)
2020
insgesamt: 11,67 Mio. € (83.228 Tage x 140,13 €)
davon § 265a StGB 1,23 Mio. € (8.781 Tage x 140,13 €)
Hintergrund:
Die Entwicklung der bei den sächsischen Staatsanwaltschaften in den Jahren 2021 und 2022 bisher anhängig gewordenen Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Erschleichens von Leistungen (§ 265a StGB) unter Berücksichtigung der Tatzeitpunkte vom 1. Januar 2021 bis 31. August 2022 stellt sich wie folgt dar:
2021
Januar: 1.041
Februar: 835
März: 1.125
April: 1.028
Mai: 958
Juni: 898
Juli: 923
August: 933
September: 977
Oktober: 850
November: 781
Dezember: 671
Insgesamt: 11.020
2022
Januar: 916
Februar: 736
März: 612
April: 678
Mai: 428
Juni: 121
Juli: 96
August: 47
Insgesamt: 3.634