Ostdeutsche Länder fordern Nachbesserung bei Infrastruktur
31.03.2023, 14:10 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)
Regierungschefs sehen Belange der ostdeutschen Länder nicht ausreichend berücksichtigt – Bei Heizungsumbau und Gebäudesanierung wirbt die MPK-Ost für Anreize und soziale Ausgewogenheit statt Klimaschutz per Zwang
Berlin (31.März 2023) - Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der ostdeutschen Länder haben die Ergebnisse des Koalitionsausschusses mit deutlichen Worten kritisiert.
In einem Beschluss, den sie zum Abschluss der Ministerpräsidentenkonferenz Ost am Freitag in Berlin fassten, heißt es, man stelle mit Bedauern fest, dass in dem »Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung« die Belange der Länder insgesamt, aber insbesondere die Interessen, Potentiale und Besonderheiten der ostdeutschen Länder »kaum Widerhall« finden würden.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, der derzeit Vorsitzender der MPK-Ost ist, betonte: »Die Beschlüsse der Ampel sind unausgegoren und unfair. Die ostdeutschen Länder, der dortige ländliche Raum und nicht zuletzt auch die mittelfristig vom Aus der Braunkohle betroffenen Regionen kommen in dem Papier praktisch nicht vor. Statt endlich Tempo bei Verkehrsprojekten und der Anbindung auch weiter nach Osteuropa zu machen, wird Ostdeutschland ausgebremst. Das kann nicht richtig sein. Das ist nicht in Ordnung.«
In dem Beschluss wird auch an die Riemser Erklärung vom Juni 2022 erinnert. Der Bundeskanzler und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der ostdeutschen Länder hatten damals gemeinsam die notwendigen Anstrengungen hinsichtlich der Schieneninfrastruktur in den ostdeutschen Ländern betont.
Gerügt wird nun, dass der aktuelle Beschluss der Ampel dazu keinerlei Aussage enthält. Es könne bei diesem Vorhaben aber nicht die wirtschaftliche Auslastung von Strecken im Vordergrund stehen. »Insbesondere die Eisenbahnvorhaben des Bundes in den Strukturwandelregionen wurden bislang nicht in ausreichendem Maß angegangen. Auch die Anbindung des Schienennetzes nach Mittel- und Osteuropa fehlt im Beschluss vollständig.« Somit könnten die ostdeutschen Länder die ihnen zugedachte Brückenfunktion zu den direkten Nachbarn nicht erfüllen.
Auch mit Blick auf Vorhaben im Bereich des Straßenverkehrs dränge sich der Eindruck auf, dass es sich lediglich um ein Beschleunigungspapier für den Westen der Bundesrepublik handele. Unter den 144 zu beschleunigenden Projekten sei kein einziges Vorhaben in Ostdeutschland zu finden. Auch Projekte, bei denen es um die Ost-West-Anbindung geht, wie der Weiterbau der A20, seien von überragendem öffentlichen Interesse ebenso wie die engere infrastrukturelle Verzahnung mit Mittel- und Osteuropa.
Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, erklärte dazu: »Das ist für Ostdeutschland von enormer Bedeutung. Sowohl grenzüberschreitende Projekte auf Schiene und Autobahn als auch konkret die Verlängerung der A 20 von Bad Segeberg nach Niedersachsen werden von uns länderübergreifend gefordert. Die A20 ist bei uns im Norden eine entscheidende Lebensader. Das haben wir auch bei der Konferenz beschlossen. Wir ziehen hierbei an einem Strang.«
Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der ostdeutschen Länder mahnten zudem, Länder mit einem hohen Ausbaustand erneuerbarer Energien dürften nicht länger benachteiligt werden. »Der Mehrwert des Ausbaus erneuerbarer Energien muss für die Menschen und die Regionen deutlich spürbar sein. Die Netzentgelte in Deutschland müssen endlich gerecht verteilt werden.« Der Bund müsse hierzu zeitnah Vorschläge vorlegen.
Beim Heizungsumbau und der Gebäudesanierung warben die Regierungschefinnen und Regierungschefs der ostdeutschen Länder für Anreize und soziale Ausgewogenheit statt Klimaschutz per Zwang und Verordnung. Vor diesem Hintergrund lehnen sie die jüngsten Beschlüsse des EU- Parlaments zum Sanierungsgebot im Gebäudebestand ab. »Ein Sanierungszwang (Klasse E bis 2030 und Klasse D bis 2033) würde viele Hauseigentümer in Ostdeutschland aufgrund geringerer Einkommen und Vermögen und einem zugleich vergleichsweise hohen Bestand an Gebäuden mit energetischem Sanierungsbedarf besonders hart treffen.«
Begrüßt wurde, dass die Beschlüsse der Koalition auf Bundesebene keinen Zwang zur Umrüstung oder zum Austausch bestehender Öl- und Gasheizungen vorsehen. Mit Sorge sehe man aber, dass ab 1. Januar 2024 nur noch Heizungen eingebaut werden sollen, die mit 65 Prozent erneuerbarer Energie betrieben werden, was das faktische Aus für klassische Öl- und Gasheizungen bedeutet. »Gerade in den ostdeutschen Ländern, wo besonders viele Heizungen aus den 90er Jahren zeitnah ausgetauscht werden und die Häuser für die Nutzung von Wärmepumpenheizungen umgebaut werden müssen, verfügen die Bürgerinnen und Bürger trotz Förderung nicht über die dafür notwendigen Mittel.«
Die Regierungschefinnen und –chefs der ostdeutschen Länder riefen die Bundesregierung auf, im weiteren Verfahren die politischen Vorgaben weiter auf ihre Umsetzbarkeit zu prüfen, die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte und die Instrumente für die finanzielle Unterstützung rasch zu konkretisieren und dabei verstärkt auf Anreizsysteme zu setzen. »Notwendige Veränderungen im Interesse des Klimaschutzes lassen sich nur gemeinsam mit den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern umsetzen, wenn diese nicht überfordert werden.«