Mehr Inklusion im Gesundheits- und Pflegesystem gefordert

12.05.2023, 14:38 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)

Beauftragte von Bund und Ländern für Menschen mit Behinderungen und die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e.V. (BAR) verabschieden die »Bad Nauheimer Erklärung«

Behinderungen sind statistisch gesehen ein Phänomen des höheren Lebensalters. In einer älterwerdenden Gesellschaft steigt die Wahrscheinlichkeit, im Lauf des Lebens eine Behinderung zu erwerben. Die Beauftragten von Bund und Ländern halten daher ein grundlegendes Umdenken im Gesundheits- und Pflegebereich für dringend notwendig. Damit Menschen mit Behinderungen jeden Alters den gleichen Zugang zur Gesundheits- und Pflegeversorgung erhalten wie Menschen ohne Behinderungen, sollte das gesamte Gesundheitssystem barrierefrei ausgestaltet werden. Darüber hinaus sind spezifische Angebote für die besonderen Bedarfe von Menschen mit Behinderungen vorzuhalten.

Michael Welsch, Landesbeauftragter für Inklusion der Menschen im Behinderungen im Freistaat Sachsen: »Gerade auch wegen der steigenden Zahl älterer Menschen mit Behinderungen und Mobilitätseinschränkungen ist der Ausbau einer barrierefreien medizinischen Versorgung das Gebot der Stunde. Beispielsweise unterstützt der Freistaat Sachsen mit dem Förderprogramm »Lieblingsplätze für alle« u.a. Maßnahmen zur Schaffung von Barrierefreiheit in Arzt- und Zahnarztpraxen.« Hier wünscht sich der Beauftragte eine größere Aufgeschlossenheit der Praxisbetreiber. Letztlich gehöre aber auch die Erreichbarkeit von Arztpraxen mit dem ÖPNV in zumutbarer Zeit zu einem barrierefreien Gesundheitssystem, so Welsch weiter.

Rika Esser, die Beauftragte der Hessischen Landesregierung für Menschen mit Behinderungen und Gastgeberin der Konferenz, misst der zuverlässigen Gewährleistung von häuslicher Intensivpflege eine besondere Bedeutung zu: »Es bestehen trotz der Nachbesserung der Außerklinischen Intensivpflege-Richtlinie (AKI-RL) große Bedenken, dass durch die enormen Anforderungen an die Verordnung und Genehmigung so hohe Hürden geschaffen werden, dass die betroffenen Menschen die benötigte Pflege zu Hause nicht mehr beantragen können.« Daher fordern die Beauftragten u.a., so Rika Esser weiter, eine ausreichende Zahl qualifizierter Medizinerinnen und Mediziner sicherzustellen sowie unnötige Mehrfachbegutachtungen zu vermeiden, bspw. bei Menschen mit progressiven Erkrankungen.

Jürgen Dusel, der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, sieht großen Handlungsbedarf bei der Hilfsmittelversorgung insbesondere von Kindern und Jugendlichen: »Wenn Kinder ihre Hilfsmittel nicht zeitnah bekommen, schließen sich Zeitfenster, in denen Fähigkeiten aufgebaut bzw. deren Verlust verhindert werden kann. Es ist inakzeptabel, dass Krankenkassen Anträge, die von den behandelnden Ärztinnen und Ärzten als dringend notwendig eingestuft werden, nach Aktenlage ablehnen.«

Prof. Dr. Helga Seel, die Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e.V. (BAR), mahnt eine Verbesserung der Rehabilitation von Menschen mit Schwerstverletzungen an. Sie erläutert dazu, dass viele Patientinnen und Patienten nach einer erfolgreichen Akutbehandlung im Krankenhaus immer noch einen hohen Unterstützungsbedarf haben, weil sie bspw. noch nicht wieder selbstständig essen können. Nach aktueller Definition gelten sie als »noch nicht reha-fähig«. Viele werden deshalb nach Hause oder in eine Pflegeeinrichtung entlassen, anstatt in eine Reha-Einrichtung. Daher fordert Prof. Dr. Seel: »Hochleistungsmedizin braucht Hochleistungsrehabilitation.«

Hintergrund:
Am 11. und 12. Mai 2023 kamen in Bad Nauheim die Konferenz der Beauftragten von Bund und Ländern für Menschen mit Behinderungen sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e.V. (BAR) zu ihrem 65. Treffen zusammen. Die Treffen finden zweimal jährlich statt und dienen der Beratung aktueller behindertenpolitischer Themen. In seiner Grußbotschaft wies der Hessische Ministerpräsident, Boris Rhein auf die Bedeutung eines inklusiven Gesundheits- und Pflegesystems hin. Bei ihrer Begrüßung am Donnerstag betonte Anne Janz, Hessische Staatssekretärin für Soziales und Integration, dass Gleichberechtigung in Gesundheit und Pflege nur dann gelingen kann, wenn gleiche Zugänge zu allen Gesundheits- und Pflegeleistungen bestehen. Zum Fachaustausch trugen u.a. Stefan Schwartze, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten, sowie verschiedene Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis mit ihren Vorträgen bei.

Die komplette Erklärung finden Sie unter nachfolgendem Link.


Kontakt

Landesbeauftragter für Inklusion der Menschen mit Behinderungen

Ansprechpartnerin Miroslawa Müller
Telefon: +49 351 564 10711
Telefax: +49 351 564 10999
E-Mail: miroslawa.mueller@sk.sachsen.de
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