Ost-MPK fordert vom Bund weiter Unterstützung und klares Bekenntnis für starke regionale Wirtschaft
22.06.2023, 16:10 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)
Konferenz der ostdeutschen Regierungschefin und Regierungschefs mit Bundeskanzler Scholz und dem Ostbeauftragten Schneider in Chemnitz
Chemnitz (22. Juni 2023) – Die Regierungschefin und Regierungschefs der ostdeutschen Länder haben in Chemnitz über wichtige aktuelle Fragen und Zukunftsthemen beraten.
An der MPK-Ost unter dem Vorsitz von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer nahmen auch Bundeskanzler Olaf Scholz und der Beauftragte der Bundesregierung für Ostdeutschland, Staatsminister Carsten Schneider, teil.
Thematische Schwerpunkte der Konferenz waren die Förderung wachsender Unternehmen, die Bewältigung der Energiekrise sowie der Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur, die Fachkräftesicherung, die Gewährleistung einer flächendeckenden medizinischen Versorgung und die Zusammenarbeit der ostdeutschen Länder mit Frankreich. Dazu wurden entsprechende Beschlüsse gefasst.
Förderung wachsender Unternehmen
In Ostdeutschland gibt es im Vergleich zu den alten Ländern vergleichsweise wenige große mittelständische Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und entsprechender wirtschaftlicher Stärke. Die Regierungschefin und Regierungschefs der ostdeutschen Länder wollen die Situation verbessern und dringen darauf, bestehende Hemmnisse zu beseitigen. Der Bund wurde aufgefordert, den Bürokratieabbau vordringlich voranzutreiben, Förderverfahren zu vereinfachen und mehr Tempo bei Infrastrukturprojekten zu machen. So gebe es etwa im Bahnverkehr in Ostdeutschland erhebliche Engpässe; angesichts von Genehmigungs- und Bauzeiten für Schienenprojekte von mehr als 20 Jahren sei umgehendes Handeln nötig. Um noch bestehende Defizite in der Industrieforschung abzubauen und den Technologietransfer zu stärken, wollen die ostdeutschen Länder entsprechende Kooperationen zwischen Forschungseinrichtungen und den Unternehmen ausbauen und verstärkt fördern. Angemahnt wurden auch mittelstandfreundliche europäische Regelungen.
Insgesamt müsse die Wirtschaftspolitik die Bedürfnisse des Mittelstandes stärker in den Blick nehmen, hieß es.
Die Regierungschefin und Regierungschefs der ostdeutschen Länder warnten in dem Zusammenhang auch eindringlich vor einer Kürzung der regionalen Wirtschaftsförderung durch den Bund. Die Stärkung und Dynamisierung der »Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Regionalen Wirtschaftsstruktur« (GRW) bei Erhalt ihres Potenzials für wirtschaftsbezogene Investitionen sei ein Kernanliegen der mittelständischen Unternehmen. Die MPK-Ost mahnte zudem eine Stärkung des Zentralen Innovationsprogrammes Mittelstand (ZIM) an, um Innovationen im Mittelstand und so die Produktivität zu erhöhen.
Kleine, kaum bekannte Programme könnten hingegen zusammengefasst oder abgeschafft werden. Die so frei werdenden Finanzmittel könnten für die Aufstockung bedeutsamer Förderprogramme wie GRW und ZIM eingesetzt werden, um Wachstumshemmnisse für Unternehmen in Ostdeutschland weiter zu reduzieren.
Energiepolitik und Energiepreise in Ostdeutschland
Die Regierungschefin und Regierungschefs der ostdeutschen Länder betonen die Notwendigkeit einer sicheren, preiswerten und umweltverträglichen Energieversorgung. Energiepreise müssten für alle Verbrauchergruppen bezahlbar bleiben. Dies gelte auch vor dem Hintergrund, dass die Menschen in den ostdeutschen Ländern stärker belastet werden. Sie müssten einen größeren Teil ihres verfügbaren Einkommens für Energiekosten aufbringen als in den westdeutschen Ländern. Auch absolut seien die Preise höher. Gefordert wurde zudem eine umfassende Reform der Abgaben und Umlagen im Energiebereich.
Mit Blick auf die Wärmewende im Gebäudebereich mahnte die Konferenz, auf die unterschiedlichen Belastungen und finanziellen Möglichkeiten der Bevölkerung sowie die Unterschiede zwischen Stadt und Land Rücksicht zu nehmen. Die Bundesregierung sollte die bisher vorgesehene Altersschwelle durch eine einfach zu administrierende Härtefallklausel ersetzen, die auch konkrete Sachgründe einbezieht und soziale Kriterien berücksichtigt, hieß es. Insbesondere erscheine es sinnvoll, den Austausch besonders klimaschädlicher Heizungen verstärkt zu fördern, um diesen zunächst voranzutreiben.
Wasserstoffinfrastruktur und Gründung »Initiative für Wasserstoff«
Die Regierungschefin und Regierungschefs der ostdeutschen Länder betrachten den Aufbau einer nationalen und europaweiten Wasserstofftransportinfrastruktur als maßgeblich für eine sichere Energieversorgung und als Basisinfrastruktur der Zukunft. Wasserstoff werde in naher Zukunft ein wichtiger Baustein für die Versorgungssicherheit und die Dekarbonisierung der Sektoren Industrie, Stromerzeugung, Wärme und Mobilität in Ostdeutschland. Begrüßt wird in dem Zusammenhang die Initiative der Bundesregierung zum Aufbau eines bundesweiten Wasserstoffkernnetzes. Allerdings müsse sichergestellt werden, dass bei der Planung der Pipeline-Infrastruktur alle relevanten Endkunden in den ostdeutschen Ländern angeschlossen würden. Dies umfasse insbesondere alle heutigen und zukünftigen Industriezentren, die heutigen Kraftwerksstandorte, die Großstädte und damit deren Strom- und Wärmeerzeugungsinfrastruktur, die möglichen Wasserstoffspeicher und die künftigen Wasserstoffimportzentren. Der Bund wurde gebeten, die Länder insgesamt in die Diskussion und Entscheidung zum Wasserstoffnetz aktiv und strukturiert einzubeziehen.
Beschlossen wurde in Chemnitz zugleich die Gründung des gemeinnützigen Vereins »Initiative für Wasserstoff in Ostdeutschland«. Der Bund tritt dem Verein als Netzwerkmitglied bei. Ziel des Vereins ist es, Wasserstoff als Energieträger und Rohstoff sowie die Nutzung seiner Potentiale für den Klima-, Umwelt- und Ressourcenschutz in Ostdeutschland voranzubringen. Dazu soll mit dem Verein eine Plattform entstehen, die die Zusammenarbeit zwischen den ostdeutschen Ländern, aber auch mit der Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung, unterstützt und befördert. Der Mitgliedsbeitrag der ostdeutschen Länder soll jährlich jeweils 100.000 Euro betragen. Der Bund unterstützt den Verein durch einen einmaligen Beitrag in Höhe von 500.000 Euro.
Fachkräftesicherung
Die Regierungschefin und Regierungschefs der ostdeutschen Länder wollen anknüpfend an die Fachkräftekonferenz Ostdeutschland vom 27. Februar 2023 mit einem Bündel an Maßnahmen Fortschritte bei der Fachkräftesicherung in Ostdeutschland erreichen. So sollen die Übergänge von Schule in Ausbildung und Beruf so gestaltet und verbessert werden, dass kein junger Mensch ohne eine Anschlussperspektive bleibt. Um bezahlbaren Wohnraum für jungen Menschen zu schaffen, hatten Bund und Länder mit dem Sonderprogramm »Junges Wohnen« vom 24. März 2023 dafür einen Impuls gegeben. Die ostdeutschen Länder werden die Mittel nunmehr auch für den Aus-, Neu- oder Umbau von Wohnheimplätzen für Auszubildende nutzen, um die Zahl der Auszubildenden-Wohnheimplätze zu erhöhen und so die überregionale Ausbildungsplatzsuche zu erleichtern. Zudem wurde der Bund erneut gebeten, mit Blick auf die schnellere Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse die bundesrechtlichen Verfahren zu vereinfachen, zu vereinheitlichen und durchgängig zu digitalisieren.
Flächendeckende medizinische Versorgung
Die Regierungschefin und Regierungschefs der ostdeutschen Länder sehen eine im Konsens von Bund und Ländern erarbeitete Krankenhausreform als zentrale Säule für eine bedarfsgerechte, zukunftsfeste und integrierte Versorgung. Verwiesen wurde in einem entsprechenden Beschluss in Chemnitz zugleich auf die erheblichen Reformanstrengungen der ostdeutschen Länder bereits in den 1990-er Jahren. Es gebe hier eine weitestgehend konsolidierte, leistungsfähige Krankenhauslandschaft. Diese sollte im Transformationsprozess unterstützt werden, um auch künftig eine wohnortnahe und flächendeckende Versorgung auch im ländlichen Raum sicherstellen zu können.
In den neuen Ländern seien nach 1990 viele innovative und zukunftsweisende Strukturen in der Gesundheitsversorgung etabliert worden. Es bestehe jetzt die Möglichkeit, diese Ostkompetenz für Gesamtdeutschland nutzbar zu machen.
Weiter hieß es, Krankenhausplanung müsse Ländersache bleiben. Der Bund wurde aufgerufen, zusätzliche Mittel zur Unterstützung des Transformationsprozesses sowie für die leistungsunabhängige Vorhaltevergütung bereitzustellen. Zudem müssten im neuen System der Vorhaltevergütung besondere Finanzbedarfe aufgrund unbeeinflussbarer externer Faktoren angemessen berücksichtigt werden. Ein besonderer Bedarf ergebe sich auch bei demografischen Besonderheiten (schrumpfende und alternde Bevölkerung).
Zusammenarbeit der ostdeutschen Länder mit Frankreich
Die Regierungschefin und Regierungschefs der ostdeutschen Bundesländer würdigen den hohen Wert der deutsch-französischen Beziehungen für das Zusammenwachsen Europas. Der anstehende Besuch des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron in Deutschland sei ein Anstoß für neue Akzente in der Zusammenarbeit. Hervorgehoben wurde dabei die Bedeutung von vielseitig gelebten Partnerschaften und insbesondere des Schüler- und Jugendaustauschs. Dies gelte es weiter zu intensivieren. Wie es weiter hieß, setzen sich die ostdeutschen Länder auch für eine weitere Vertiefung und Weiterentwicklung der trilateralen Kooperation zwischen Deutschland, Frankreich und Polen (»Weimarer Dreieck«) und den Ausbau trilateraler Formate ein. Verwiesen wurde auch auf die Frankreich-Initiative Ostdeutschland.