Sächsischer Verfassungsschutzbericht 2022 vorgestellt
27.06.2023, 14:53 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)
Innenminister Armin Schuster und der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) Sachsen, Dirk-Martin Christian, haben heute den sächsischen Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2022 vorgestellt.
Dieser informiert über die verfassungsfeindlichen Entwicklungen in den Phänomenbereichen Rechts- und Linksextremismus, Reichsbürger und Selbstverwalter, Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates, Islamismus, sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Gruppierungen mit Auslandsbezug sowie über Spionageaktivitäten.
Rechtsextremisten besetzen Themen mit gesellschaftlichem "Empörungspotenzial" und bauen ihre Anschlussfähigkeit an die gesellschaftliche Mitte weiter aus / Rechtsextremistischem Konzertgeschehen einen Riegel vorgeschoben
»Der Rechtsextremismus ist und bleibt schon allein wegen seiner 4.350 Angehörigen die größte Bedrohung für unsere Demokratie. Die 'Freien Sachsen' waren und sind der dynamischste und mobilisierungsstärkste Akteur im Bereich des Rechtsextremismus. Sie sind keine harmlose Vereinigung, die selbstlos die Rolle des gesellschaftlichen Kummerkastens annimmt, sondern ebenso wie die 'völkischen Siedler' eine Gruppierung von überzeugten Rechtsextremisten. Sie sind stark ideologisch geprägt, auch wenn das für manchen Protestteilnehmer nicht auf den ersten Blick ersichtlich sein mag. Genau das ist ihre Strategie! Es ist wichtig, diese Verfassungsfeinde sichtbar zu machen, den Menschen zu verdeutlichen, dass der vermeintlich 'nette völkische Siedler von nebenan', der freundlich grüßt, eben mehr im Schilde führt«, sagte Innenminister Armin Schuster.
»Das Gefährliche an den 'Freien Sachsen' ist, dass sie mit ihrer Sachsen-Folklore als biedere Lokalpatrioten daherkommen und sich noch damit brüsten, ohne ideologisches Korsett auszukommen. Tatsächlich lehnen sie aber ganz unverhohlen die Demokratie, den Rechtsstaat und die freiheitliche Gesellschaftsordnung rundweg ab, die sie durch ihre Aktionen systematisch verächtlich machen und bekämpfen. Ihr Ziel ist es, die Bevölkerung weiter zu verunsichern und gegen das politische System in Stellung zu bringen. Entgegen aller Beschwichtigungen: Den 'Freien Sachsen' geht es um den Sturz und die Ablösung dieses Gesellschaftssystems. Das sei allen Bürgerinnen und Bürgern gesagt, die sich auf diese Kleinstpartei einlassen und diese ggf. sogar für wählbar halten«, führte LfV-Präsident Dirk-Martin Christian aus.
Christian betonte, dass es das geradezu zwangsläufige Ziel rechtsextremistischer Parteien sei, »immer tiefer in die bürgerliche Mitte vorzudringen und dort Sympathisanten und Wähler zu rekrutieren. Der 'Marsch durch die Institutionen' beginnt bei gemeinsamen Demonstrationen auf der Straße, er setzt sich in der Wahlkabine fort und findet sein vorläufiges Ende in den Parlamenten und Gemeindevertretungen, in denen diese Parteien in irgendeiner Weise Mandate übernehmen«, sagte der LfV-Präsident.
Innenminister Schuster: »Wir arbeiten intensiv daran, dem nach Corona wieder angestiegenen rechtsextremistischen Konzertgeschehen im wahrsten Sinne des Wortes einen Riegel vorzuschieben. Diese Konzerte dienen der Vernetzung der Szene untereinander sowie ihrer Finanzierung. Zugleich werden bei Konzerten teilweise als jugendgefährdend indizierte, überwiegend aggressive und gewaltverherrlichende Liedtexte verbreitet. Rechtsextremistische Konzerte waren auch der Szene-Einstieg für die Täter des NSU. Deswegen ist unser Ziel: keine Rechtsrockkonzerte in Sachsen! Im Torgauer Ortsteil Staupitz wurde der Konzertbetrieb durch den Landkreis mit Unterstützung durch unser Expertennetzwerk inzwischen verboten. Wir bemerken, dass man sich beobachtet fühlt und passt sein Verhalten an. Dies zeigt, dass unser offensives Vorgehen Wirkung zeigt. Wir bleiben dran und unterstützen unsere Kommunen mit unserem jüngst gestärkten Expertennetzwerk.«
Reichsbürger expandieren weiter im Freistaat Sachsen
»Die Gefahr durch Reichsbürger steigt: Verhaftungen gab es im Berichtsjahr auch in Sachsen – und umfangreiche Waffenfunde. Auch wenn die Umsturzplanungen der Gruppierung um den Prinzen zu Reuß realistisch vielleicht nicht umsetzbar gewesen wären, hätten sie aber zahlreiche Menschenleben in Gefahr bringen und hohe Schäden anrichten können. Unsere Sicherheitsbehörden waren wachsam und haben dank ihrer professionellen Arbeit verhindert, dass aus Plänen Taten werden«, führte Innenminister Schuster aus.
LfV-Präsident Dirk-Martin Christian: »Auch den Sympathisanten der Reichsbürger-Gruppierung 'Königreich Deutschland' sei gesagt, dass Gemeinwohldörfer nicht nur Orte für esoterische Seminare sind, an denen sich über Systemausstieg, die Geisterwelt Gottes oder Methoden der Gesunderhaltung philosophieren lässt. Sie sind ebenso Ausdruck für die Ablehnung und Überwindung der Bundesrepublik Deutschland sowie ihrer Rechts- und Gesellschaftsordnung. Das Eine ist ohne das Andere nicht zu haben.«
Linksextremisten zeigen erhöhte Gewaltbereitschaft
»Der 'Tag X' in Leipzig hat es wieder einmal gezeigt: auch Linksextremisten bedrohen unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat. Insbesondere die Messestadt gehört seit Jahren zu einer der drei bundesweiten Schwerpunktregionen für die gewaltbereite autonome Szene. Von 890 Linksextremisten im Freistaat Sachsen gelten 650 Personen als gewaltorientiert«, sagte Innenminister Armin Schuster.
»Die Taten werden bedrohlicher. So bewegen sich einige Übergriffe am Rande von versuchten Tötungsdelikten. Das ist eine neue Qualität. Auch die Begehungsweise ist professioneller geworden. Klandestin vorgehende Einzeltäter oder Kleinstgruppen suchen ihre Opfer gezielt aus, die Übergriffe werden genau geplant, die Tatorte vorher ausgespäht. Teile der Szene sind offenbar zum Äußersten entschlossen. In großem Maße besorgt uns, dass einige gewaltbereite Linksextremisten untergetaucht sind. Es formiert sich möglicherweise eine Gruppe im Untergrund, die sich von der Szene gelöst hat und schwerste Straftaten plant. Im Untergrund dreht sich die Spirale der Radikalität schneller«, führte LfV-Präsident Dirk-Martin Christian aus.
Innenminister Armin Schuster: »Um dieser Gewaltspirale rechtzeitig entgegenzutreten, brauchen wir auch eine Strategie gegen Linksextremismus. Bei der Innenministerkonferenz vor knapp zwei Wochen bestand Einigkeit darin, dass der gewaltorientierte Linksextremismus eine bundesweite Herausforderung bleibt und wir auch in diesem Phänomenbereich weiter eng kooperieren müssen. Dass der Rechtsstaat gegen die Straftaten von Linksextremisten gleichfalls konsequent vorgeht, zeigt das Urteil gegen Lina E. und weitere drei Angeklagte. Der Staat duldet keine rechtsfreien Räume. Und daran wird sich auch nichts ändern! Eines will ich jedoch auch sagen: Leipzig ist eine pulsierende Stadt mit intensiven politischen Diskursen. Zu dieser pulsierenden Stadt gehören für mich auch lebendige Stadtteile, aber eben in friedlicher Form.«
Spionage- und Cyberabwehr im Zuge des Ukraine-Krieges verstärkt im Fokus des Verfassungsschutzes
»Die Nachrichtendienste von Bund und Ländern beschäftigen sich seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine verstärkt auch mit den Tätigkeiten russischer Nachrichtendienste. Deutschland steht wegen seiner geopolitischen Lage, seiner Rolle in der EU und der NATO sowie seiner Bedeutung in Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie in besonderem Maße im Fokus russischer Nachrichtendienste. Intensität, Umfang und Komplexität der russischen nachrichtendienstlichen Tätigkeiten haben mit Kriegsbeginn zugenommen. Insbesondere gilt es, unsere KRITIS vor Cyberangriffen zu schützen und unsere Gesellschaft über russische Desinformationskampagnen aufzuklären. Letztere dienen dazu, mit der gezielten Verbreitung von täuschend echt wirkenden Falschinformationen pro-russische Stimmungsmache in Deutschland für das Agieren Russlands in der Ukraine zu betreiben und Misstrauen der hiesigen Bevölkerung in die Politik der Bundesregierung zu schüren. Es ist vor diesem Hintergrund nur richtig, dass das LfV diesem Thema einen eigenen Teil im aktuellen Jahresbericht widmet«, führte Innenminister Armin Schuster aus.
LfV-Präsident Dirk-Martin Christian ergänzte: »Der Umfang politischer Spionage durch die Volksrepublik China hat ebenfalls erheblich zugenommen. Im Zuge der Realisierung des ambitionierten industriepolitischen Programms 'Made in China 2025' und des neuen 'Fünf-Jahres-Plans' arbeitet China zielstrebig daran, zur weltweit führenden Wirtschafts- und Technologiemacht aufzusteigen. Im Fokus chinesischer Aufklärung stehen daher nicht nur Großkonzerne, sondern auch kleine- und mittelständische Unternehmen sowie Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen. Gezielte Firmenübernahmen und Auslandsinvestitionen runden das Bild ab, wie auch das Anwerben von Wissenschaftlern und Wissensträgern.«
Hinweise für Ihre Berichterstattung:
• Eine Kurzzusammenfassung des Verfassungsschutzberichtes 2022 befindet sich im Anhang dieser Medieninformation.
• Den vollständigen Verfassungsschutzbericht 2022 finden Sie zum Download im Internet unter www.verfassungsschutz.sachsen.de