Einweihung des neuen Lernortes für Demokratie im ehemaligen Kaßberg-Gefängnis Chemnitz

20.10.2023, 10:00 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)

Staatsministerin und Stiftungsratsvorsitzende Barbara Klepsch: »Die Gedenkstätte ist ein zentraler Ort für die Aufarbeitung der deutschen Geschichte.«

Die Sächsische Staatsministerin für Kultur und Tourismus und Vorsitzende des Stiftungsrates der Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft Barbara Klepsch und der Sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer haben heute (Freitag, 20. Oktober 2023) an der offiziellen Eröffnung des neuen Lernortes für Demokratie im früheren Hafttrakt B des ehemaligen Kaßberg-Gefängnisses in Chemnitz teilgenommen.

Das ehemalige Kaßberg-Gefängnis ist ein einstiger politischer Haftort mit doppelter Diktaturgeschichte und war Abwicklungsort des Häftlingsfreikaufs aus der DDR. Zum Lernort gehört eine Dauerausstellung über die Haftschicksale früherer politischer Gefangener. Der neue Außenrundgang verbindet den bereits seit 2017 bestehenden Gedenkort mit dem neuen Lernort. Der bereits bestehende Gedenkort und der neue Lernort zusammen bilden den Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis, der damit komplett fertiggestellt ist.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer: »Es ist gut und wichtig, dass es diesen neuen Lern- und Gedenkort gibt, der weit über Sachsen hinaus von Bedeutung ist. Erinnert wird hier an unsere jüngere Geschichte, an die Zeit des Nationalsozialismus, an deutsche Teilung, DDR-Unrecht und zehntausendfachen Häftlingsfreikauf durch die Bundesregierung. Die neue Gedenkstätte kann dabei helfen, etwas über Diktaturen und den Wert von Freiheit und Demokratie zu erfahren. Ich bin allen sehr dankbar, die sich leidenschaftlich und mit großer Ausdauer dafür engagiert haben, dass dieser für Sachsen und ganz Deutschland wichtige Ort des Erinnerns und des Austausches entstehen konnte.«

Staatsministerin und Stiftungsratsvorsitzende Barbara Klepsch: »Die Gedenkstätte Kaßberg-Gefängnis ist ein bedeutender Ort, denn sie bildet die beiden deutschen Verfolgungsperioden des 20. Jahrhunderts ab. Das Alleinstellungsmerkmal des Kaßberg ist dabei der sogenannte »Häftlingsfreikauf«. Bekannt geworden als Abschiebegefängnis der DDR wird hier die deutsch-deutsche Geschichte sichtbar. Ich hoffe, dass viele Menschen die Gedenkstätte als zentralen Ort für die Aufarbeitung der deutschen Geschichte besuchen werden. Insbesondere hoffe ich, dass die Bildungsprogramme des Lern- und Gedenkortes gut angenommen werden und viele Schülerinnen und Schüler in die Gedenkstätte kommen, um sich am authentischen Ort kritisch mit der deutschen Geschichte auseinanderzusetzen. Ich danke dem Trägerverein der Gedenkstätte für sein großes Engagement bei der Errichtung. Was hier vor Ort geleistet wurde und weiterhin täglich geleistet wird ist beispielhaft und unverzichtbar für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Stärkung demokratischer Werte und Haltungen. Ich danke ebenfalls den zahlreichen Zeitzeugen, die immer wieder unermüdlich in ehrenamtlicher Arbeit über die Geschichte des Ortes und ihre Haftschicksale informieren.«

Den Aufbau der Gedenkstätte hat der Freistaat Sachsen gemeinsam mit dem Bund und der Stadt Chemnitz finanziert. Der Freistaat Sachsen hat dabei den neuen Lernort im Hafttrakt B des ehemaligen Gefängnisses mit 2,8 Millionen Euro gefördert. Dazu kommt ein Bundeszuschuss in Höhe von rund 1,2 Mio. Euro.

Über das ehemalige Gefängnis Chemnitz-Kaßberg:
Der Kaßberg ist als Abschiebegefängnis der DDR bekannt geworden. Im Jahr 1989 verfügte der vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) genutzte Gefängnisteil über 163 Zellen, in denen 329 Häftlinge untergebracht werden konnten. Von hier aus wurde der Häftlingsfreikauf in den Westen durch die DDR abgewickelt, der im Gegenzug für dringend benötigte Devisen sorgte. Fast 30.000 freigekaufte Häftlinge wurden über das Kaßberg-Gefängnis abgeschoben. Als eine der wenigen Gedenkstätten, die SED-Unrecht abbilden, kann an diesem historischen Ort die ost- wie die westdeutsche Perspektive des Häftlingsfreikaufs abgebildet werden.

Vor 1945 hielt das NS-Regime hier Personen gefangen, die für die Volksgemeinschaft als nicht würdig angesehen wurden. Nicht zuletzt spielte der Kaßberg bei der Verfolgung Chemnitzer Juden eine Rolle. Nach dem Krieg bezog der sowjetische Geheimdienst hier Quartier. Nicht nur NS-Verbrecher, sondern auch Jugendliche, die haltlos beispielsweise beschuldigt worden, der Partisanenorganisation »Werwolf« anzugehören, waren hier Häftlinge ebenso wie Personen aus dem Umfeld der Wismut, die man der Spionage oder Sabotage bezichtigte.

Über den Verein Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis:
Seit seiner Gründung im Jahr 2011 setzt sich der Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis e.V. dafür ein, auf dem Gelände der ehemaligen MfS-Untersuchungshaftanstalt Kaßberg in Chemnitz einen Lern- und Gedenkort einzurichten. In ehrenamtlicher Tätigkeit engagieren sich die Mitglieder des Vereins mit Führungen und Veranstaltungen. Dazu gehören auch Zeitzeugengespräche in und außerhalb von Chemnitz. Bis zu Beginn der Umbaumaßnahmen im Winter 2018 ermöglichte er in den Jahren 2017 und 2018 – meist in Begleitung von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen – jeweils etwa 130 Gruppenbesichtigungen über das einstige Haftgelände.

Als außerschulischer Lernort will die Gedenkstätte Kaßberg-Gefängnis das Wissen über die zwei deutschen Diktaturen wachhalten und mit einem vielfältigen pädagogischen Programm, vor allem jungen Menschen immer wieder den Wert einer rechtsstaatlichen demokratischen Gesellschaftsform vor Augen führen. Der Lern- und Gedenkort soll zum freien Meinungsaustausch einladen und demokratiefördernd wirken.


Kontakt

Sächsische Staatsministerin für Kultur und Tourismus

Pressesprecher Jörg Förster
Telefon: +49 351 564 60620
E-Mail: presse.kt@smwk.sachsen.de
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