Urteil im Verfahren gegen Enrico B. u.a. wegen des Verdachts der Gründung einer und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung (Verlag »Der Schelm«) verkündet

29.04.2024, 12:41 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)

Der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Dresden hat die drei Angeklagten wegen der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Volksverhetzung, zu Freiheitsstrafen zwischen 18 Monaten und zweieinhalb Jahren verurteilt. Zudem wurde bei allen drei Angeklagten der aus den Straftaten erzielte Verdienst im Wege des Wertersatzes eingezogen. Eingezogen wurde außerdem eine Vielzahl von Druckwerken.

Das Gericht sah es nach achttägiger Hauptverhandlung als erwiesen an, dass die zwei Männer und eine Frau mit dem gesondert verfolgten A.P. zusammenwirkten, um unter dem Dach des Verlags »Der Schelm« eine nationalsozialistische und antisemitische Ideologie durch den Verkauf entsprechende Bücher zu verbreiten, indem sie zwischen 2018 und 2020 für den Verlag Druckerzeugnisse mit Titeln wie z.B. »Die jüdische Weltpest – Judendämmerung auf dem Erdball«, »Der Giftpilz«, »Der Jude als Weltparasit«, »Judas, der Weltfeind« und viele mehr veräußerten und dabei Umsätze in sechsstelliger Höhe erzielten. Das Verächtlichmachen einer Gruppe von Menschen und der Aufruf zum Hass gegen sie kündige den Grundkonsens unserer Gesellschaft und verstoße gegen die wesentlichen Grundsätze der Verfassung. Der Inhalt der Bücher sei geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören. Durch den von allen Angeklagten eingeräumten Vertrieb der Druckwerke sei daher der Tatbestand der Volksverhetzung verwirklicht. Das Gericht hat außerdem den Tatbestand der Mitgliedschaft an einer kriminellen Vereinigung als erwiesen angesehen. Jenseits der rechtsextremistischen Gesinnung aller Beteiligten habe ein ihr jeweiliges Interesse, Geld mit dem Verbreiten von Hetzschriften zu verdienen, überwölbendes gemeinsames Interesse an dem geschäfts- und gewerbsmäßig organisierten professionellen Vertrieb bestanden.

Der Generalbundesanwalt hatte die Verhängung von Freiheitsstrafen von einem Jahr und sechs Monaten bis zu zwei Jahren und acht Monaten beantragt, außerdem die Einziehung der noch vorhandenen Druckwerke sowieder von den Angeklagten erzielten Einnahmen. Die Verteidiger hatten Verurteilungen lediglich wegen Mittäterschaft bzw. im Fall der Angeklagten K. Beihilfe zur Volksverhetzung in bewährungsfähiger Höhe bzw. Geldstrafen beantragt.

Bei der Strafzumessung hat der Senat berücksichtigt, dass alle Angeklagten weitgehend geständig waren. Beim Angeklagten Enrico B. fielen neben dem Umfang seines Tatbeitrages nicht unerhebliche Vorstrafen ins Gewicht. Er wurde zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Angeklagte Matthias B., der in erheblichem Umfang Aufklärungshilfe geleistet hat, nicht vorbestraft und umfassend geständig ist, wurde zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, die Angeklagte Annemarie K. zu einem Jahr und sechs Monaten, ebenfalls ausgesetzt zur Bewährung. Bei ihr fanden der etwas geringere Tatbeitrag Berücksichtigung sowie ihre prekäre persönliche Lage und ihr Gesundheitszustand.

Beim Angeklagten Enrico B. wurde ein Betrag in Höhe von 42.561,47 €, bei der Angeklagten Annemarie K. ein Betrag in Höhe von 5.201,84 € und bei Matthias B. ein Betrag von 41.223,91 € jeweils zugunsten des Bundes als Wertersatz eingezogen.

Die Haftbefehle wurden aufgehoben.

OLG Dresden, Urteil vom 29.04.2024
Az.: 4 St 1/23

Angewendete Vorschriften:

§ 129 StGB Bildung krimineller Vereinigungen

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind. 2Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine solche Vereinigung unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt.
(2) Eine Vereinigung ist ein auf längere Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses.
(3) Absatz 1 ist nicht anzuwenden,
1. wenn die Vereinigung eine politische Partei ist, die das Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt hat,
2. wenn die Begehung von Straftaten nur ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist oder
3. soweit die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung Straftaten nach den §§ 84 bis 87 betreffen.
(4) Der Versuch, eine in Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 bezeichnete Vereinigung zu gründen, ist strafbar.
(5) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen. 2Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern der Vereinigung gehört. 3In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn der Zweck oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet ist, in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, b, d bis f und h bis o, Nummer 2 bis 8 und 10 der Strafprozessordnung genannte Straftaten mit Ausnahme der in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe h der Strafprozessordnung genannten Straftaten nach den §§ 239a und 239b des Strafgesetzbuches zu begehen.
(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, von einer Bestrafung nach den Absätzen 1 und 4 absehen.
(7) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter
1. sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Vereinigung oder die Begehung einer ihren Zielen entsprechenden Straftat zu verhindern, oder
2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß Straftaten, deren Planung er kennt, noch verhindert werden können;
erreicht der Täter sein Ziel, das Fortbestehen der Vereinigung zu verhindern, oder wird es ohne sein Bemühen erreicht, so wird er nicht bestraft.

§ 130 StGB Volksverhetzung

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1. einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der
a) zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
b) zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
c) die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
2. einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.
(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.
(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.
(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.
(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).
(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.
(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.


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Oberlandesgericht Dresden

Pressesprecherin Meike Schaaf
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Telefax: +49 351 446 1499
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