Entscheidungsgründe im Verfahren gegen Richter Jens Maier bekanntgegeben
20.01.2025, 16:44 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)
vollständiges Urteil den Beteiligten zugestellt
Mit Urteil vom 28. November hatte das Dienstgericht für Richterrinnen und Richter des Freistaates Sachsen die Klage des Freistaates Sachsen auf Aberkennung des Ruhegehalts gegen den bereits in den Ruhestand versetzten Richter Jens Maier (Beklagter) abgewiesen und diese Entscheidung am selben Tag öffentlich verkündet. Nunmehr liegen die vollständigen Entscheidungsgründe vor, die den Beteiligten bekanntgemacht sind.
Im Urteil wird näher ausgeführt, dass sich der dem Beklagten zur Last gelegte Sachverhalt im Ergebnis der mündlichen Verhandlung nur in Teilen bestätigt habe und insoweit als angemessene Disziplinarmaßnahme allenfalls eine Kürzung des Ruhegehaltes in Betracht gekommen wäre, nicht aber eine vollständige Aberkennung. Eine Kürzung scheide indes wegen Zeitablaufs aus. Bestätigt habe sich der der Disziplinarklage zu Grunde gelegte Lebenssachverhalt nur – und insoweit auch nur eingeschränkt –, als er den Facebook-Post »GEZ ABSCHAFFEN, SLOMKA ENTSORGEN!« betreffe. Der weitere Vorwurf, der Beklagte habe die Taten des Norwegers Anders Behring Breivik in einer Rede vom 19. April 2017 verharmlost oder relativiert, habe sich hingegen nicht erweisen lassen.
Außerdienstliche Meinungsäußerungen eines Richters in der Öffentlichkeit stünden grundsätzlich unter dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz. Als Staatsbürger könne der Richter seine Auffassungen in Wort, Schrift und Bild äußern und verbreiten, und zwar unabhängig davon, ob andere die von ihm vertretene Meinung für richtig oder falsch halten. Staat und Gesellschaft könnten an unkritischen Richtern kein Interesse haben. Der Richter dürfe sich, soweit kein unmittelbarer Bezug zu konkreten, von ihm zu entscheidenden Rechtsstreitigkeiten bestehe, mit der gebotenen Sachlichkeit und Distanz in Wort und Schrift insbesondere auch zu rechtspolitischen Fragen äußern. In der Rechtsprechung sei geklärt, dass bei der Würdigung von Äußerungen alle Begleitumstände einschließlich des Kontextes und der sprachlichen und gesellschaftlichen Ebene, auf der sich die Bekundung bewege, zu berücksichtigen seien. Maßgeblich für die Deutung sei nicht die subjektive Absicht des Äußernden, sondern der Sinn, den die Bekundung nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Dritten habe. Bei mehrdeutigen Bekundungen müssten andere mögliche Deutungen mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen werden, bevor ihnen eine zu einer Sanktionierung führende Bedeutung zugrunde gelegt wird. Daran gemessen sei dem Gericht im Ergebnis der Beweisaufnahme weder eine zweifelsfreie Feststellung des Geäußerten noch eine eigene Bewertung des objektiven Erklärungsgehaltes der Äußerungen des Beklagten möglich gewesen. Schon der Wortlaut des vom Beklagten getätigten Redebeitrags habe sich – mangels Aufzeichnung – nicht zuverlässig rekonstruieren lassen. Deshalb sei auch offengeblieben, ob der Beklagte mit den von ihm gewählten Formulierungen tatsächlich das Handeln von Anders Breivik habe rechtfertigen, verharmlosen oder relativieren wollen. Zwar sei in der Presse seinerzeit genau dieser Vorwurf gegen den Beklagten wegen des Beitrags erhoben worden. Allerdings habe es sich dabei möglicherweise nur um ein denkbares Verständnis gehandelt, ohne dass dieses zwingend gewesen wäre.
Für das Gericht stehe zwar außer Zweifel, dass auf einem für Zwecke des Wahlkampfs betriebenen Account des Beklagten die Formulierung »GEZ ABSCHAFFEN, SLOMKA ENTSORGEN!« gepostet worden sei. Da der Beklagte diesen Post nach eigenen Angaben nicht selbst erstellt und von dessen Existenz auch zunächst nichts gewusst habe, knüpfe der Vorwurf des Dienstvergehens nicht an einer persönlichen Äußerung des Beklagten an, sondern nur an seiner unzureichend wahrgenommenen Verantwortung für die unter seinem Namen erfolgten Veröffentlichungen auf dem Account. Hierin könne ein Verstoß gegen das Mäßigungsgebot bzw. das Gebot achtungswürdigen Verhaltens, nicht aber der schwerer wiegende Verstoß gegen die elementare Verfassungstreuepflicht, welcher regelmäßig die Entfernung aus dem Dienst- bzw. die vollständige Aberkennung der Ruhestandsbezüge rechtfertigte, erkannt werden. Dies bleibe bei der Frage der Angemessenheit konkreter Disziplinarmaßnahmen ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, dass der Post nur wenige Tage auf dem Account öffentlich wahrnehmbar gewesen sei. Darüber hinaus sei der Post Teil der allgemeinen Auseinandersetzung um die Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im politischen Meinungskampf gewesen und eine Reaktion auf eine von der Moderatorin moderierte ZDF-Wahlsendung. Damit sei es nicht um eine isolierte Diffamierung und Herabsetzung ihrer Person gegangen, der Beitrag habe jedenfalls auch inhaltliche Aspekte einer Meinungsäußerung enthalten. Deshalb wäre als angemessene Reaktion nur eine Kürzung des Ruhegehalts in Betracht gekommen, die aber wegen des abgelaufenen Zeitraums seit Begehung des Dienstvergehens nicht mehr angeordnet werden durfte.
Gegen diese Entscheidung steht den Beteiligten das Rechtsmittel der Berufung zum Dienstgerichtshof zu, die innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe der vollständigen Urteilsgründe erhoben werden könnte.