Zentrale Gedenkfeier des Freistaates Sachsen in Pirna

26.01.2025, 15:15 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)

Am Vorabend des 80. Jahrestages der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz - Kretschmer warnt vor Verharmlosung von Diktatur und Menschenverachtung

Pirna (26. Januar 2025) – Mit einer zentralen Gedenkfeier des Freistaates Sachsen ist am Sonntag in Pirna an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert worden.

Am Vorabend des Gedenktages ehrten Ministerpräsident Michael Kretschmer und weitere Mitglieder der Staatsregierung, der Präsident des Sächsischen Landtages, Alexander Dierks, Vertreter des diplomatischen Corps, der jüdischen Gemeinden, der Kirchen gemeinsam mit einigen Nachfahren der Opfer mit einer Kranzniederlegung an der Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein die Ermordeten. Allein in der zur Tötungsanstalt umfunktionierten »Heilstätte« auf dem Sonnenstein fielen zwischen 1940 und 1941 13.720 Menschen den »Euthanasie«-Verbrechen zum Opfer.

Ministerpräsident Kretschmer sagte: »80 Jahre sind seit der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz vergangen. Der Schrecken über die millionenfachen Morde lässt nicht nach. Dieses Unrecht verjährt nicht. Der Weg in die Vernichtungslager begann mit der Verachtung von kranken Menschen, mit der Beurteilung von Menschen als lebenswert und lebensunwert. In Großschweidnitz und Pirna-Sonnenstein wurden aus Heilanstalten Orte, an denen Menschenleben planvoll ausgelöscht wurden. Wir können heute und hier die Geschichte nicht rückgängig machen. Aber wir können im gemeinsamen Erinnern und der gemeinsamen Trauer das Gedenken an die Opfer lebendig halten und wachsam sein gegenüber jeder Verharmlosung von Diktatur und Menschenverachtung«, mahnte er.

Die Vorsitzende des Landesverbandes Sachsen der Jüdischen Gemeinden, Ekaterina Kulakova, betonte: »Die Erinnerung an die Schoa, an grausame Zeiten, ist nicht nur am 27. Januar wichtig. Erinnerung ist ein kontinuierlicher Prozess, der uns eine Möglichkeit gibt, unsere Seele warm zu halten, um die Menschenwürde nicht zu vergessen und uns im Endeffekt das Recht gibt, uns Menschen zu nennen.«

Kultusminister Conrad Clemens ergänzte: »Der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus mahnt uns, alles zu tun, damit sich die dunklen Kapitel der Geschichte nicht wiederholen. Wir müssen die Erinnerung wachhalten. Erinnern ist Teil historisch-politischer Bildung und damit Teil des schulischen Lernens. Auch in diesem Jahr unterstützen wir unsere Schulen mit zahlreichen Angeboten.«

Die Gedenkfeier des Freistaates ist gemeinsam mit der Stiftung Sächsische Gedenkstätten organisiert worden. Am späten Nachmittag findet ein Gedenkkonzert in der Stadtkirche St. Marien in Pirna mit der Neuen Jüdischen Kammerphilharmonie unter Leitung von Michael Hurshell statt. Die Philharmonie hat es sich zur Aufgabe gemacht, Werke verfolgter und verfemter jüdischer Künstler aufzuführen und so ihre »Musik nach Hause zu bringen«.

Stiftungsgeschäftsführer Dr. Markus Pieper erklärte: »Die Arbeit der Stiftung Sächsische Gedenkstätten unterstreicht täglich den Wert der Demokratie, in der Vielfalt nicht die Bedrohung, sondern die Bedingung des Zusammenlebens ist. Daher freue ich mich, dass wir am Vorabend des Gedenktages zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus ein Konzert der Neuen Jüdischen Kammerphilharmonie Dresden hören dürfen. Die Aufführung der Werke verfolgter und verfemter jüdischer Komponisten holt mit ihrer Musik auch ein Stück zerstörter Vielfalt zurück.«

Hintergrund:

Am 27. Januar 1945 befreiten Einheiten der Roten Armee das Vernichtungslager Auschwitz. Seit 1996 ist der 27. Januar bundesweiter Gedenktag zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus. Der 27. Januar ist zudem weltweit der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust.

Der Pirnaer Sonnenstein war ein Experimentierfeld für die von den Nationalsozialisten betriebene Massenvernichtung von Menschen. Zwischen Januar 1940 und August 1941 töteten die Nationalsozialisten 70.273 Menschen im Rahmen der zentralen Krankenmorde. Allein in der Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein fielen 13.720 Menschen den »Euthanasie«-Verbrechen zum Opfer.

Im Sommer 1941 wurden zusätzlich mehr als tausend Häftlinge aus Konzentrationslagern im Rahmen der »Sonderbehandlung 14f13« in Pirna-Sonnenstein ermordet. Belegt sind Transporte aus den Konzentrationslagern Sachsenhausen, Buchenwald und Auschwitz. An der Massenvergasung von 575 fast ausschließlich polnischen Auschwitz-Häftlingen Ende Juli 1941 zeigt sich der Übergang zu einer neuen Dimension der Verbrechen.

In der ersten Hälfte des Jahres 1942 wurden in Ostpolen Lager zur Vernichtung der pol-nischen Juden eingerichtet. Dabei spielten auch die zuvor in Pirna-Sonnenstein systematisch begangenen Verbrechen eine wichtige Rolle. Etwa ein Drittel der Mitarbeiter der Tötungsanstalt Sonnenstein wurden in den Jahren 1942 und 1943 in den Vernichtungslagern Bełżec, Sobibór und Treblinka eingesetzt.

Die Neue Jüdische Kammerphilharmonie wurde 2007 gegründet, um vergessene Werke jüdischer Komponisten zu neuem Leben zu erwecken. Mit der ausschließlichen Aufführung dieses Repertoires ist das Ensemble bundesweit einzigartig.
Der künstlerische Leiter des Orchesters ist der amerikanische Dirigent Michael Hurshell, der als Gast renommierter Ensembles wie der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf, der Nationalphilharmonie Warschau und der Slowakischen Staatsphilharmonie Bratislava international tätig ist. Seit vielen Jahren arbeitet er ehrenamtlich in der Repräsentanz und im Vorstand der Jüdischen Gemeinde zu Dresden.


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