Rechtsextremistische Szene vereinnahmt 80. Jahrestag der Bombardierung Dresdens
11.02.2025, 11:04 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)
LfV-Präsident Christian: »‘Gedenkmarsch‘ anlässlich der Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg ist Pflichttermin für Rechtsextremisten«; »Linksextremisten könnten sich unter die Gegenproteste mischen«
Der Jahrestag der alliierten Luftangriffe auf die Landeshauptstadt Dresden am 13. Februar 1945 jährt sich dieser Tage zum 80. Mal. Dieses Datum ist für die rechtsextremistische Szene in Deutschland seit Jahren zum Ritual ihres »historischen Gedenkens« geworden. Im Vorfeld dieses runden Jahrestages beobachtet das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Sachsen eine bundesweit massive Mobilisierung der rechtsextremistischen Szene für den 13. bis 15. Februar in Dresden. Ziel der Rechtsextremisten ist es, das Gedenken an die Bombardierung im Sinne ihrer verfassungsfeindlichen Ideologie zu vereinnahmen. In geschichtsrevisionistischer Lesart werden dabei die deutschen Opfer des Bombenangriffs besonders hervorgehoben und eine übertriebene Zahl an Todesopfern angegeben. Auf diese Weise pflegt die rechtsextremistische Szene ihr Narrativ des »Bombenholocausts«, das im Sinne einer Täter-Opfer-Umkehr der Relativierung des nationalsozialistischen Holocausts dient.
»Für die rechtsextremistische Szene in ganz Deutschland ist der Jahrestag der alliierten Luftangriffe auf Dresden im Zweiten Weltkrieg ein Pflichttermin«, sagte Dirk-Martin Christian, Präsident des LfV Sachsen. »Es ist zu erwarten, dass ein breites rechtsextremistisches Spektrum zum 80. Jahrestag in Dresden Präsenz zeigen wird, um einen möglichst großen Teil der Szene hinter geschichtsrevisionistischen und NS-Verbrechen relativierenden Narrativen zu versammeln.« Im Vorfeld des Termins verzeichnet das LfV Sachsen Mobilisierungen sowohl aus dem parteiungebundenen Spektrum, zu dem die neonationalsozialistische und subkulturell geprägte rechtsextremistische Szene gehört, als auch aus dem rechtsextremistischen Parteienspektrum. Anreisen von Rechtsextremisten aus dem gesamten Bundesgebiet und dem Ausland sind ebenfalls zu erwarten. Für den Zeitraum vom 13. bis 15. Februar haben Rechtsextremisten in Dresden neben dem "Gedenkmarsch" u. a. Mahnwachen, eine Ausstellung zur Bombardierung sowie ein Protestcamp angekündigt.
Rechtsextremistischer »Gedenkmarsch« bildet den Höhepunkt der Szeneaktivitäten
Höhepunkt der rechtsextremistischen »Gedenkveranstaltungen« bildet der sogenannte »Gedenkmarsch« am 15. Februar in Dresden, organisiert durch den bekannten Rechtsextremisten Lutz Giesen. Hierzu verzeichnet das LfV Sachsen vor allem in den sozialen Medien zahlreiche Mobilisierungsaufrufe rechtsextremistischer Akteure und Gruppierungen. Zur Teilnahme rufen u. a. die neonationalsozialistische Gruppierung »Balaclava Graphics Bautzen« sowie die rechtsextremistischen Parteien »Freie Sachsen« und »Die Heimat« auf. Auch Gruppierungen aus dem Spektrum der jungen, aktionsorientierten Rechtsextremisten, die im vergangenen Jahr die Gegenproteste der Szene gegen CSD-Veranstaltungen in Sachsen geprägt haben, rufen zur Teilnahme am Gedenkmarsch auf. Diese Mobilisierungsaufrufe, u. a. in Form von Banneraktionen in den sozialen Medien, machen einmal mehr deutlich, dass diese Gruppierungen auf den Eventcharakter rechtsextremistischer Veranstaltungen setzen.
»Die Mobilisierung junger Rechtsextremisten für den ‚Gedenkmarsch‘ in Dresden bestätigt einmal mehr die Verjüngung der rechtsextremistischen Szene in Sachsen«, so LfV-Präsident Dirk-Martin Christian. »Dabei spielen die sozialen Medien und Inhalte, die auf diese junge Zielgruppe zugeschnitten sind, eine zentrale Rolle.«
Neben der rechtsextremistischen Szene haben auch Akteure aus dem extremistischen Phänomenbereich »Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates« Veranstaltungen im Kontext des 80. Jahrestages der alliierten Luftangriffe auf Dresden angemeldet. Diese Extremisten wollen das Gedenken ebenfalls für sich instrumentalisieren, um öffentlichkeitswirksam eigene Narrative zu verbreiten. Es ist dabei nicht ausgeschlossen, dass diese Akteure sich auch rechtsextremistischen Veranstaltungen anschließen.
Linksextremisten könnten sich an Gegenprotesten beteiligen
Gegen die rechtsextremistischen Veranstaltungen in Dresden ist bereits breiter Protest angekündigt worden, wobei der Schwerpunkt auf Protestveranstaltungen gegen den »Gedenkmarsch« liegen wird. Hierzu sind bereits zahlreiche nicht extremistische Veranstaltungen angemeldet worden. Unter die nicht extremistischen Gegenproteste könnten sich nach Einschätzung des LfV Sachsen auch linksextremistische Akteure und Gruppierungen mischen, die diesen alljährlichen Termin ebenfalls im Blick haben. Für diese ist das übergreifende Motto der Gegenproteste, »80 Jahre Gedenken? Abschaffen!« und »Naziaufmarsch blockieren«, in hohem Maße anschlussfähig. In der linksextremistischen Szene haben bislang u. a. die Gruppen »Prisma – Interventionistische Linke Leipzig«, »Rotes Dresden« und »Ermittlungsausschuss Dresden« Mobilisierungsaufrufe gestartet. Auch Anreisen von Linksextremisten aus dem Bundesgebiet nach Dresden sind nicht auszuschließen.
Im Rahmen der Proteste gegen den rechtsextremistischen »Gedenkmarsch« ist zu erwarten, dass Linksextremisten versuchen könnten, den politischen Gegner in Sicht- und Hörweite zu konfrontieren. »Gegenseitige Provokationen sind fester Bestandteil der Auseinandersetzung zwischen der linksextremistischen und der rechtsextremistischen Szene«, so LfV-Präsident Dirk-Martin Christian. In einer ohnehin angespannten Versammlungslage könne dies die Stimmung zeitweise aufheizen, so der LfV-Präsident weiter.
Sofern sich für Linksextremisten die Gelegenheit dazu ergibt, sind zudem Stör- und Blockadeaktionen im Verlauf der »Gedenkmarsch«-Strecke ein mögliches Szenario. Darüber hinaus können Aktionen linksextremistischer Kleingruppen nicht ausgeschlossen werden, die sich gegen den politischen Gegner oder vermeintliche Unterstützer richten. Die Spanne möglicher Aktionen reicht von verbalen Auseinandersetzungen über Sachbeschädigungen bis hin zu körperlichen Angriffen.
Das LfV Sachsen beobachtet die Aktivitäten extremistischer Akteure und Gruppierungen im Kontext des 80. Jahrestages der Bombardierung Dresdens sehr aufmerksam und steht hierzu im engen Austausch mit der Polizei und der Landeshauptstadt Dresden.