Ambulante medizinische Versorgung in Sachsen bis 2035 im Fokus – Gutachten fortgeschrieben
10.03.2025, 10:00 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)
Gesundheitsministerin Köpping: »Sicherstellung bleibt Daueraufgabe – bereits Vielzahl von Maßnahmen erfolgreich umgesetzt«
Die demografische Entwicklung der ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte wird für die kommenden Jahre besonders relevant sein. In ländlichen Regionen erschweren zudem infrastrukturelle Merkmale wie z.B. die fehlende Anbindung an den ÖPNV auch unter Beachtung von Praxisstandorten oder nicht ausreichende Breitbandversorgung die Wiederbesetzung; in städtischen Regionen ergeben sich Herausforderungen durch einen voraussichtlichen Bevölkerungszuwachs und dadurch steigende Versorgungsbedarfe.
Mit diesen und weiteren Faktoren hat sich die Fortschreibung des »Gutachtens zur Entwicklung des ambulanten Versorgungs- und Arztbedarfes in Sachsen« bis zum Jahr 2035 beschäftigt, welches das Gesundheitsministerium beim Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi) in Auftrag gegeben hatte. Dazu hat das Zi zwei Berichte vorgelegt. Das erste Gutachten mit einem Zeithorizont bis 2030 war 2016 vorgestellt worden. Ziel ist eine frühzeitige Einschätzung künftiger Versorgungsbedarfe.
Zum einen werden unter Beachtung der früheren Ergebnisse und der seither erfolgten Entwicklungen die Projektion des Versorgungs- und Arztbedarfes zu den Jahren 2025 und 2030 überprüft und für 2035 neu erstellt; Erkenntnisse aus dem vorherigen Gutachten werden mit den aktuellen Daten verglichen. Ausgangspunkt ist wie auch bereits im vorherigen Gutachten die Beschreibung der ambulanten medizinischen Versorgungssituation in den 48 sächsischen Mittelbereichen für die hausärztliche Versorgung und die einzelnen Facharztrichtungen. Kartografische Darstellungen ermöglichen eine Einschätzung des regionalen Zusammenspiels der Versorgungssituation in benachbarten Mittelbereichen.
Gesundheitsministerin Petra Köpping: »Die Berichte zeigen vielfältige Herausforderungen auf. Entscheidend ist, insbesondere in ländlichen Regionen entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Dabei geht es z. B. um Arbeitsbedingungen, die jungen Ärztinnen und Ärzten einen Einstieg in das Berufsleben ermöglichen; sie in der Facharztausbildung unterstützt, damit sie auch in der Region bleiben, in der sie ihre Weiterbildung absolvieren. Arzt oder Ärztin zu sein, ist ein toller, erfüllender Beruf – unsere Botschaft ist, dass Interessierte die bestmögliche Unterstützung bekommen, um den Beruf ergreifen zu können.«
In einem zweiten Berichtsteil geht es um spezifische Themen der Versorgung: Ambulantisierung, arbeitsteilige Prozesse, telemedizinische Leistungen und Aspekte der pandemischen Lage. Zudem hat das Zi Fokusgruppeninterviews mit Stakeholdern der medizinischen Versorgungsplanung durchgeführt, um realisierbare Ansätze zum Transfer der Erkenntnisse in die Praxis zu diskutieren.
Gesundheitsministerin Petra Köpping: »Das Gutachten honoriert, dass Sachsen bereits eine erhebliche Anzahl von Maßnahmen erfolgreich durchgeführt hat. Dazu zählen z.B. das sächsische Hausarztstipendium, die Landarztquote, die Förderung der Weiterbildung und Niederlassung durch den Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen, aber auch kleinere Projekte wie das Dermatologische Telekonsil im Planungsbereich Löbau- Zittau. Das freut mich sehr. Gleichwohl bleibt die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung eine Daueraufgabe. Gemeinsam mit den Partnern der Selbstverwaltung und den Kommunen stehen wir damit vor der Aufgabe, die Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen, um die notwendigen Versorgungsstrukturen gestalten und eine zukunftsfähige ambulante medizinische Versorgung sicherstellen zu können. Gleichzeitig müssen wir uns aber auch die bundesweiten Vorgaben für die Bedarfsplanung anschauen und Änderungsbedarf prüfen. Die Menschen werden älter und haben zugleich andere Anforderungen an die medizinische Versorgung. Derzeit bekommen Menschen mancherorts trotz Versorgungsgrad von über 100 Prozent zeitnah keinen Termin. «
Die Gutachter haben Maßnahmen in mehreren Handlungsfeldern formuliert. Im Vordergrund stehen dabei der weitere Ausbau der Ausbildungskapazitäten für Medizinstudienplätze sowie eine frühzeitige Bindung durch gezielte Programme für Allgemeinmediziner, wie zum Beispiel Mentorenprogramme. Zudem wird die ärztliche Weiterbildung im ambulanten Bereich als entscheidend angesehen, um z.B. ärztlichen Nachwuchs für Praxisübernahmen zu interessieren. Im Koalitionsvertrag wurde daher unter anderem die Stärkung der Weiterbildungsverbünde vereinbart. Eine verstärkte Nutzung telemedizinischer Ansätze und mobile Versorgungsangebote könne dazu beitragen, die ärztlichen Dienstleistungen flexibler zu gestalten und Versorgungslücken auf dem Land zu schließen.
Diesen Einschätzungen schließt sich auch Dr. med. Sylvia Krug, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen, an: »Das Gutachten des Zi gibt uns eine solide Grundlage für Entscheidungen über weitere Maßnahmen zur Stärkung und Verbesserung der ambulanten Versorgung. Hervorzuheben ist, dass es einen kontinuierlichen Austausch der Akteure des sächsischen Gesundheitswesens gibt, der noch weiter intensiviert werden soll. Wir haben bereits frühzeitig Handlungsbedarf für die vertragsärztliche Versorgung in Sachsen erkannt und aktiv Schritte eingeleitet, welche aus einer Mischung regional angepasster Maßnahmen und innovativer Ansätze bestehen. Hierzu zählen auch die Verbindung von Telemedizin und Mobilität, wie die Mobile Untersuchungs- und Behandlungseinheit sowie ambulante Versorgungs- und Weiterbildungszentren. Neu ist das Konzept der Versorgerpraxen mit der Durchführung von Videosprechstunden, der Erbringung delegationsfähiger Leistungen durch nichtärztliches Personal und der Kooperation mit Akteuren der Region. Mit dem Modellprojekt ‚Studieren in Europa – Zukunft in Sachsen‘ konnten wir zudem zusätzliche Medizinstudienplätze schaffen. Dennoch sehen wir nach wie vor Handlungsbedarf, um die ambulante Tätigkeit für junge Mediziner und bestehende Praxen attraktiver zu gestalten. Neben der Schaffung adäquater Infrastruktur in ländlichen Regionen betrifft dies insbesondere den Abbau bürokratischen Aufwands für mehr wertvolle Zeit mit den Patienten sowie den Einsatz funktionierender Digitaltechnik zur Entlastung der Praxen.«
Für das Gutachten seien umfangreiche Versorgungsdaten ausgewertet worden, um die aktuelle und zukünftige Versorgungssituation tiefer ausleuchten zu können, so der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried: »Anhand vergleichbarer Kennzahlen wollten wir herausfinden, in welchen Regionen Sachsens die größten Versorgungspotenziale bestehen und wo die ärztliche Versorgung noch gut abgesichert ist. Diese jeweils regional verfügbaren Indizes des Handlungsbedarfs dienen als umfassende Informationsgrundlage, auch für die Betrachtung bereits erfolgreich umgesetzter Modellprojekte. Für diejenigen, die vor Ort die Versorgung gestalten, kann das Gutachten wichtige Entscheidungshilfen bieten. Die Diagnose ist bekannt: Ärztliche Ressourcen werden immer knapper. Versorgungsprozesse müssen bei abnehmenden Versorgungskapazitäten einem steigenden Versorgungsbedarf angepasst werden. Was wir dazu brauchen, sind zielorientierte Maßnahmen, um auch in Zukunft eine wohnortnahe und hochwertige Patientenversorgung abzusichern. Dazu leistet unser heute vorgestelltes Gutachten einen wichtigen Beitrag.«
Die zuständigen fachlichen Gremien, darunter das Gemeinsame Landesgremium im Freistaat Sachsen, werden die Ergebnisse und Hinweise der Berichte beraten. Ebenso sind die Kommunen angesprochen, die Erkenntnisse aus den Berichten für die Entwicklung und Bewertung von regionalen Projekten einzubeziehen.
Weitere Informationen:
Die Fortschreibung des Gutachtens zur Entwicklung des Versorgungs- und Arztbedarfes in Sachsen finden Sie hier: https://www.gesunde.sachsen.de/ambulante-versorgung-4019.html