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30.10.2009, 13:00 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)
Rückverschub des Portikus am Bayerischen Bahnhof
Rückverschub des Portikus am Bayerischen Bahnhof -weiterer Meilenstein für das Großprojekt City-Tunnel Leipzig
Mit einer spektakulären Aktion wird eine wichtige Bauphase des City-Tunnels Leipzig abgeschlossen: Der 30 Meter lange und 20 Meter hohe Portikus des Bayerischen Bahnhofs wird an seinen alten Standort zurückverschoben. Sachsens Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP) startete gemeinsam mit Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung und dem Konzernbevollmächtigten der Deutschen Bahn AG für Sachsen, Artur Stempel, punkt 13 Uhr die Aktion mit einem symbolischen Knopfdruck. Im April 2006 war das denkmalgeschützte Bauwerk aus der Frühzeit des Bahnverkehrs um 30,5 Meter in Richtung Osten versetzt worden. Dies war nötig, um Platz zu schaffen für den Bau der neuen City-Tunnel-Station direkt unterhalb des Bauwerks. Ursprünglich war geplant, den Portikus vor Ort zu sichern. Doch um Zeit- und Kostenrisiken zu minimieren, hatten sich die Ingenieure entschieden, den Portikus zu versetzen. Vielfältige Überwachungsmaßnahmen sorgen dafür, dass dem Portikus – errichtet zwischen 1842 und 1844 – auf der Rückreise zu seinem alten Standort nichts passieren kann. Auch vor dem Hintergrund der positiven Erfahrungen beim ersten Verschub, der ohne jeden Zwischenfall und deutlich schneller als erwartet verlief.
Die Technik
Bereits für den ersten Verschub war das historische Fundament des Portikus mit einem neuen Fundamentrahmen aus Beton umfasst und durch Stahlträger in diesem verankert worden. Dieser Fundamentrahmen bildet die Grundlage für den gesamten Verschub: An seiner Unterseite werden 24 hydraulische Pressen installiert, die das gesamte Bauwerk und dessen historische Fundamente um etwa fünf Millimeter anheben. Auf diesen hydraulischen Pressen gleitet der Portikus die eigens
gegossene, gut 30 Meter lange Verschubstrecke entlang. Zwischen den Pressen und der Verschubstrecke aus Beton sorgen Teflonplatten dafür, dass alles glatt läuft.
„Im Fundamentrahmen gesichert, gleitet der Portikus wie ein Schlitten auf seinen Kufen auf der zuvor errichteten Verschubstrecke zu seinem angestammten Platz zurück“, erläutert Andreas Irngartinger, Projektleiter der DEGES für das Großprojekt. Portikus und Fundamentrahmen wiegen zusammen etwa 2.800 Tonnen.
Für die Vorwärtsbewegung sorgen vier weitere Hydraulikpressen, die das Bauwerk Stück für Stück nach vorne ziehen. Zehn Meter lange Stahlstangen verbinden die Pressen mit dem Fundamentrahmen.
Während des Verschubs werden die Pressen vier Mal umgesetzt, um die Länge der Zugstangen zu begrenzen. Vor allem das letzte Stück des Verschubs ist Millimeterarbeit: Dazu werden die Zugstangen dann nicht an den Außenseiten, sondern in der Mitte des Fundamentrahmens angebracht, um das Bauwerk exakt an jenem Punkt wieder abzusetzen, an dem es sich vor dem ersten Verschub befunden hat.
„Anders als beim ersten Verschub müssen wir nun millimetergenau das Ziel treffen – in der Höhe wie in der Richtung“, beschreibt Irngartinger die Herausforderungen. Die entsprechenden Vorbereitungen dafür haben etwa ein halbes Jahr in Anspruch genommen.
Laserlote in den beiden Außenbögen, tachymetrische Messungen an den Außenseiten des Portikus und ein Schlauchwaagenmesssystem überwachen während des gesamten Verschubs mögliche Verformungen und damit die Sicherheit und Stabilität des Bauwerks. „Im Rahmen des vertretbaren Aufwands haben wir für alle erdenklichen Sicherungsmaßnahmen gesorgt – sollte wider Erwarten doch
etwas nicht nach Plan verlaufen, können wir sofort reagieren“, sagt Projektleiter Irngartinger.
Abschluss der Bauarbeiten am Bayerischen Bahnhof
Sobald der Portikus seinen angestammten Platz erreicht hat, wird das Bauwerk wieder auf seine frühere Höhe abgesenkt. Die Hydraulikpressen unterhalb des Bauwerks werden demontiert, die zusätzlichen Aussteifungen des Bauwerks entfernt und die freie Verschubstrecke wird zurückgebaut.
Anschließend ruht der Portikus wieder auf seinen historischen Fundamenten. Der für den Verschub errichtete Fundamentrahmen bleibt erhalten und sorgt für zusätzliche Stabilität. Die Baugrube wird mit Boden verfüllt und der Eingangsbereich zum Bahnhofsgebäude wieder hergestellt. Das Gelände des Bayerischen Bahnhofs wird zu einem Park umgestaltet, in den der Eingang zur unterirdischen
S-Bahn-Station und die historischen Bauten integriert werden. Dass Portikus und Bahnhofsgebäude jemals getrennt waren, wird nicht erkennbar sein.
Die weiteren Baumaßnahmen
Der Rückverschub des Portikus stellt einen wichtigen Meilenstein bei der Fertigstellung der Rohbauarbeiten am City-Tunnel Leipzig dar. Ende Oktober 2008 hatte die Tunnelbohrmaschine Leonie ihre Arbeit abgeschlossen und die beiden Tunnelröhren zwischen dem Bayerischen Bahnhof und dem Leipziger Hauptbahnhof fertig gestellt. Der gesamte Tunnelbau war durch die Baugrube am Bayerischen
Bahnhof versorgt worden – auch das war ein Grund dafür, den Portikus für die Dauer der Baumaßnahmen zu verschieben.
Die nun anstehenden Arbeiten bestehen in der architektonischen Gestaltung der Stationen sowie im Innenausbau mit sämtlichen Ver- und Entsorgungsleitungen
und der bahntechnischen Einrichtung der Tunnelstrecke.
Hintergrund: Der City-Tunnel Leipzig
Der City-Tunnel Leipzig schafft eine direkte Schienenverbindung zwischen dem Bayerischen Bahnhof im Süden und dem Hauptbahnhof im Norden des Stadtzentrums. Die unterirdische Nord-Süd-Achse wird den S-Bahn-Verkehr in ganz Mitteldeutschland deutlich beschleunigen: Heute müssen die Züge
das Leipziger Stadtzentrum aufwendig umfahren – im entstehenden Mitteldeutschen S-Bahn-Netz verkehren sie künftig unter dem Zentrum hindurch. Die Fahrtzeiten verkürzen sich im Vergleich zum heutigen Stand um bis zu 20 Minuten. Vier unterirdische Stationen – Bayerischer Bahnhof, Wilhelm- Leuschner-Platz, Markt und Leipzig Hauptbahnhof – sorgen dafür, dass künftig die zentralen Anlaufpunkte
im Leipziger Stadtzentrum direkt erreichbar sind.
Der City-Tunnel Leipzig wird den Anteil des ÖPNV an der Mobilität in Stadt und Region deutlich erhöhen und etwa 320.000 Pkw-Kilometer täglich vermeiden.