Ordensverleihung

27.03.1998, 00:00 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)

Heute überreichte der Sächsische Staatsminister für Soziales, Gesundheit und Familie, Dr. Hans Geisler, im Namen von Bundespräsident Prof. Dr. Roman Herzog
an drei verdienstvolle Persönlichkeiten aus dem Freistaat Sachsen hohe Auszeichnungen der Bundesrepublik Deutschland. Die Ausgezeichneten sind Frau Rosemarie Haase aus Leipzig (Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland), Herr Hellmut Kriegel aus Chemnitz (Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland) und Herr Georg Meusel aus Werdau (Verdienstkreuz am Bande des Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland).

Zu den Personen:

Rosemarie Haase (47) ist nach einer Berufsausbildung als Gebrauchswerberin und einem Studium der Malerei und Grafik seit 1976 als freischaffende Künstlerin tätig. Bereits 1984 begann sie mit freier künstlerischer Gruppenarbeit, vor allem für Kinder in einem Leipziger Neubaugebiet und für psychisch Kranke in der Psychiatrie Leipzig-Dösen. Der von ihr im Jahr 1990 mitbegründete Verein _Durchblick e. V._ ist aus einer Psychiatriebetroffenenbewegung des Neuen Forums hervorgegangen. Er integriert in einer ungewöhnlichen Weise psychisch kranke Menschen. Wichtigster Ansatzpunkt von _Durchblick e.V._ ist, daß die Kranken aus der Betroffenheit zur Selbsthilfe finden. Neben einer Kontakt- und Beratungsstelle, die zunächst den Zugang der Kranken zum Verein ermöglicht, sind es vor allem künstlerische Arbeitsprojekte, die der Therapie dienen. Mit einer _Durchblick Galerie_, deren Vorsitz Frau Haase ebenfalls inne hat, tritt der Verein mit seinen Kunstwerken in Form von Ausstellungen an die Öffentlichkeit. Psychisch Kranke entdecken auf diese Weise nicht nur in künstlerischer Arbeit ihre Begabungen, sondern erfahren vor allem, daß ihre Kunstwerke auch von anderen Menschen anerkannt und geschätzt werden. Ebenfalls künstlerisch und mit dem gleichen Ziel arbeitet eine Arbeitsgruppe _Durchblick Design_, die Layouts für Bücher und Kalender herstellt. Darüber hinaus brachte Frau Haase in der _Kommission zum Mißbrauch der Psychiatrie im sächsischen Gebiet der ehemaligen DDR_ ihre Erfahrungen mit ein.

Hellmut Kriegel (87) erhält die Auszeichnung für seinen lebenslangen Einsatz für den Arbeiter-Samariter-Bund, dem er seit 1927 angehört. Bis zum Verbot 1933 arbeitete Helmut Kriegel ehrenamtlich in der damaligen Bundesgeschäftsstelle in Chemnitz. Nationalsozialismus, Krieg und Wiedergründungsverbot machten eine weitere Betätigung unmöglich. Erst nach seiner Pensionierung 1975 konnte er während eines Besuches in der Bundesrepublik Deutschland wieder Kontakt zum dortigen, nach 1945 wiedergegründeten Arbeiter-Samariter-Bund aufnehmen. Unermüdlich hat er nach seiner Rückkehr von dieser Reise nach Chemnitz versucht, Dokumente und Unterlagen, die für die Organisation wichtig waren, aufzutreiben und diese - verbotenerweise - dem Arbeiter-Samariter-Bund in der Bundesrepublik übergeben. Darüber hinaus hat er Kontakte zu anderen ehemaligen Mitgliedern und Mitarbeitern aus der Zeit vor 1933 aufgenommen und diese ermutigt, bei ihren _West-Reisen_ ebenfalls mit dem Arbeiter-Samariter-Bund in Verbindung zu treten. Nach der Grenzöffnung war Herr Kriegel - trotz seines Alters - maßgeblich an der Wiedergründung des Ortsverbandes Chemnitz beteiligt. Auch heute noch nimmt Hellmut Kriegel regen Anteil am Verbandsgeschehen des Arbeiter-Samariter-Bundes.

Georg Meusel (56) wird ausgezeichnet, weil er sich in besonderem Maße für politisch Andersdenkende in der DDR eingesetzt und Widerstand gegen das politische System der DDR geleistet hat. Georg Meusel war 1973 Mitbegründer des ersten und größten christlichen Friedensseminars in der DDR in Königswalde bei Werdau, das auch heute noch arbeitet. Das Anliegen dieses Seminares war es, die teilweise bis zu 600 Teilnehmer politisch zu informieren, auch durch Kontakte nach Westdeutschland zu sensibilisieren und zum Handeln zu befähigen. Das war offener Widerstand, für den sich der Staatssicherheitsdienst der DDR immer wieder interessierte. Harte Auseinandersetzungen führte Georg Meusel in der Schule seiner Kinder wegen der Teilnahme am Wehrkundeunterricht und des Aufnähers _Schwerter zu Pflugscharen_. Der Publizierungsversuch einer Briefmarke mit dem Symbol eines schwarzen Mannes, der vor einem grünen Globus sein Gewehr zerbricht, gelang ihm beinahe. Er wurde mehrfach vernommen und seine Familie psychisch unter Druck gesetzt. Gegen alle Widerstände, auch gegen kirchliche Vorbehalte, gelang es Meusel, den Martin-Luther-King-Dokumentarfilm in Werdau 1987 zur Aufführung zu bringen. Auf Georg Meusels Initiative hin wurde am 1. Dezember 1989 im Kreis Werdau der erste _Runde Tisch_ in der DDR eingerichtet. An der Herausgabe der ersten von der SED unabhängigen Zeitungen in Sachsen war Georg Meusel maßgeblich beteiligt.


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