Konferenz der ostdeutschen Regierungschefs in Bad Muskau
06.04.2017, 15:15 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)
Gespräch auch mit Bundeskanzlerin – Strukturförderung, Infrastruktur und Zukunft der Energieversorgung wichtige Themen
Bad Muskau (6. April 2017) – Die Regierungschefs der ostdeutschen Bundesländer haben sich am Donnerstag im sächsischen Bad Muskau zu ihrer 44. Regionalkonferenz getroffen.
An den Beratungen im Neuen Schloss nahmen am Nachmittag auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesforschungsministerin Johanna Wanka sowie die Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, Iris Gleicke, teil.
In der Ministerpräsidenten-Konferenz Ost (MPK-Ost) werden Themen, die speziell die neuen Bundesländer betreffen, beraten und gemeinsame Positionen abgestimmt. Den Vorsitz hat aktuell Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich.
Förderkonzept „WIR“
Die Bundesforschungsministerin legte ein innovationspolitisches Förderkonzept vor. Das Programm soll zunächst bis 2019 nur für Ostdeutschland gelten und von 2020 an bundesweit ausgerollt werden. Mit dem neuen Programm „WIR! – Wandel durch Innovation in der Region“ sollen der Innovationsdynamik in strukturschwachen Regionen mehr Impulse verliehen werden. Insbesondere sollen mit dem 150-Millionen-Euro-Paket Regionen jenseits der schon bestehenden Innovationszentren erreicht werden.
Gesamtdeutsche Strukturförderung nach 2020
Nach der Einigung über die Bund-Länder-Finanzbeziehungen steht als nächstes die Ausgestaltung eines Systems der regionalen Strukturförderung an. Die ostdeutschen Regierungschefs unterstützen das Vorhaben der Bundesregierung, die regionale Strukturförderung ab 2020 zu einem integrierten gesamtdeutschen System für strukturschwache Regionen weiterzuentwickeln.
Die Regierungschefs bekräftigten ihre Position, wonach die derzeitige Fördermittelausstattung der ostdeutschen Länder in einem künftigen gesamtdeutschen System mindestens erhalten bleiben muss. Berücksichtigt werden müsse die „flächendeckende Strukturschwäche der ostdeutschen Länder“.
Die Förderprogramme sollten zudem so konzipiert werden, dass der ins Stocken geratene wirtschaftliche Aufholprozess der neuen Länder wieder an Dynamik gewinnt. Begründet wurde dies auch mit der geringeren Zahl von großen Unternehmen mit Sitz in den neuen Ländern, vergleichsweise geringen Forschungskapazitäten im privaten Sektor, der nach wie vor im Bundesvergleich überdurchschnittlichen Arbeitslosenquote und deutlich geringeren Steuerkraft.
Sachsens Ministerpräsident Tillich sagte hierzu: „Wir brauchen in den ostdeutschen Ländern einen richtigen Innovationsschub. Dabei könnte eine Innovationszulage als Zuschuss für Forschungs- und Entwicklungs-Personalausgaben sowie für Ausgaben für Patente die Entwicklungsabteilungen in den Unternehmen stärken.“
Ostdeutsche Infrastruktur
Bei der Breitbandversorgung drängen die ostdeutschen Länder auf einen zügigen weiteren Ausbau. Die gemeinsamen Anstrengungen von Bund und Ländern müssten weiter verstärkt werden. Der Bund wurde aufgerufen, weiter in ausreichendem Maße Fördermittel für den Ausbau der digitalen Infrastruktur bereitzustellen, gerade auch um ländliche Regionen weiter erschließen zu können.
Die Regierungschefs beklagten außerdem Defizite in der Bahninfrastruktur in den neuen Ländern. Verschiedene Vorhaben seien derzeit nur dem „potentiellen Bedarf“ des aktuellen Bundesverkehrswegeplans zugeordnet. Nötig sei zudem eine Stärkung des Schienengüterverkehrs. In dem Zusammenhang wurde der Bund als Eigentümer der Bahn AG gebeten darauf hinzuwirken, dass diese ihrer strukturpolitischen Verantwortung gerade auch in Ostdeutschland nachkommt, die dortigen Produktionsstandorte stärkt und auf weitere Werksschließungen verzichtet.
Die ostdeutschen Ministerpräsidenten mahnten faire Chancen für ostdeutsche Flughäfen an. Der Bund wurde gebeten, zusätzliche Frequenzen und Landepunkte in die entsprechenden Dokumente und Luftverkehrsabkommen aufzunehmen und zwischenzeitlich Übergangslösungen für interessierte Fluggesellschaften zuzulassen. Darüber hinaus sollten ausländischen Fluggesellschaften zusätzliche Genehmigungen eingeräumt werden, auch wenn diese ihre deutschen Frequenzen bereits ausgeschöpft haben.
Standortentscheidungen für bedeutende Institutionen
Die Regierungschefs plädierten dafür, dass die ostdeutschen Regionen von Standortentscheidungen für bundesdeutsche und europäische Institutionen nicht abgekoppelt werden dürfen. Der Bund solle seine Bemühungen, „Behörden von Bund und EU gleichmäßig im Bundesgebiet einzurichten, deutlich intensivieren“. Die Vorschläge der „Unabhängigen Föderalismuskommission“ von 1992, unter Berücksichtigung der ostdeutschen Länder eine annähernd ausgewogene Verteilung von Bundeseinrichtungen über alle Länder zu erreichen, seien bis heute nicht umgesetzt worden. Zuletzt blieb Ostdeutschland bei der Einrichtung von vier Lokalkammern des Europäischen Patentgerichts im Jahr 2013 unberücksichtigt.
EU-Förderpolitik
Mit Blick auf die künftige Förderpolitik der Europäischen Union nach 2020 forderten die Regierungschefs den Bund auf, sich dafür einzusetzen, dass der bislang erfolgreiche Aufholprozess in Ostdeutschland nicht abbricht. Die ostdeutschen Länder befänden sich in einer „Sandwichposition“ zwischen den hochentwickelten Regionen Westdeutschlands und den EU-Förderhöchstgebieten im benachbarten Osteuropa. In dieser Situation drohten Neuinvestitionen an Ostdeutschland in die eine oder andere Richtung vorbeizugehen. Nötig sei vor diesem Hintergrund eine angemessene Förderung auch nach 2020.
Bewerbung Deutschlands für die Fußball-EM 2024
Die ostdeutschen Regierungschefs begrüßten die Bewerbung des DFB für die Fußball-EM 2024. Zugleich sprachen sie sich dafür aus, bei der Auswahl der Spielorte auf eine ausgewogene Verteilung deutschlandweit zu achten und Ostdeutschland zu berücksichtigen. Neben der Bundeshauptstadt Berlin sollte es einen weiteren Austragungsort in den neuen Bundesländern geben. Die Regierungschefs begrüßen den Vorschlag Sachsens, sich gegenüber der DFB-Spitze für Leipzig als einen der zehn Austragungsorte einzusetzen. Leipzig habe sich als Austragungsort bei der Fußball-WM 2006 „in hervorragender Weise bewährt“.
Zukunft der Energieversorgung – Energiewende fair gestalten
Die Regierungschefs der ostdeutschen Länder forderten die Bundesregierung auf, die Kosten der Energiewende wirksam zu begrenzen und die aus der Energiewende resultierenden Lasten bundesweit fair und gleichmäßig zu verteilen. Dies betrifft sowohl die Trassierung als auch die Kosten der Stromübertragungsnetze.
Die Abschaffung der vermiedenen Netzentgelte und die Verteilung der Netzkosten auf Übertragungsnetzebene auf alle Stromkunden werden auch von den beiden Experten einhellig unterstützt, die zur Konferenz eingeladen waren. Neben dem Chef des Netzbetreibers 50Hertz, Boris Schucht, war auch der Präsident der Bundesnetzagentur, Jochen Homann, in Bad Muskau dabei.
Die ostdeutschen Länder sind bei der Umsetzung der Energiewende mit dem Ausbau erneuerbarer Energien vorangegangen und werden auch weiterhin die industriepolitischen Perspektiven aktiv nutzen. Allerdings haben die energie- und klimapolitischen Entscheidungen unmittelbare und erhebliche Auswirkungen auch auf die Braunkohleregionen in Ostdeutschland. Strukturbrüche, wie sie nach 1990 stattfanden, darf es nicht geben. Die Regierungschefs der ostdeutschen Länder sehen hier die Bundesregierung in besonderer Verantwortung. Für den anstehenden Prozess der Strukturentwicklung fordern sie vom Bund finanzielle Unterstützung sowie politische Berechenbarkeit und Planbarkeit.
Thüringen forderte eine stärkere Berücksichtigung von Pumpspeicherkraftwerken. Außerdem sollte ein verstärktes Augenmerk auf das Rewpowering von Windkraftanlagen gelegt werden.