Urkunde zur Aufnahme des Genossenschaftswesens in „Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit“ übergeben

11.05.2017, 15:15 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)

Staatsministerin Dr. Eva-Maria Stange: „Das Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ ist geübte praktische Solidarität.“

Die Deutsche UNESCO-Kommission übergibt heute in Berlin eine Urkunde zur Aufnahme der „Idee und Praxis der Organisation gemeinsamer Interessen in Genossenschaften“ in die „Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit“ an Vertreter der Hermann-Schulze-Delitzsch-Gesellschaft e.V. und der Deutschen Friedrich-Wilhelm Raiffeisen-Gesellschaft e.V. Die „Väter“ der Genossenschaftsidee, Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch, ein gebürtiger Sachse, gründeten Mitte des 19. Jahrhunderts die ersten genossenschaftlichen Organisationen moderner Prägung in Deutschland. Staatsministerin Dr. Eva-Maria Stange: „Die kulturellen Ausdrucksformen der Menschheit beschränken sich nicht allein auf die schönen Künste oder traditionelles Handwerk, sondern sie beziehen Formen gesellschaftlicher Selbstorganisation, die der ökonomischen, sozialen und kulturellen Teilhabe breiter Bevölkerungsschichten dienen, in unser Verständnis von „Kultur“ mit ein. Das Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ der Genossenschaften ist geübte praktische Solidarität und hilft den Beteiligten, nachhaltig und krisensicher zu wirtschaften.“
In Deutschland zählen Genossenschaften heute mehr als 21 Millionen Mitglieder. Dazu gehören etwa Genossenschaftsbanken, Landwirtschafts- und Handwerkergenossenschaften, Wohnungsbau- und Konsumgenossenschaften bis hin zu Dienstleistungs-, und Energiegenossenschaften. Auch unser Krankenversicherungswesen wäre ohne die Ideen der Gründerväter des Genossenschaftswesens nicht denkbar. Weltweit sind 800 Millionen Menschen in mehr als 100 Ländern Genossenschaftsmitglieder. Dr. Eva-Maria Stange: „Die Genossenschaftsidee hat eine herausragende Bedeutung auch für die Entwicklungszusammenarbeit der Bundesrepublik Deutschland. Sie entfaltet eine nachhaltige Wirkung und trägt selbst zur Nachhaltigkeit, einem zentralen Politikziel der Vereinten Nationen, bei. Die Kräfte einer solidarisch agierenden Gesellschaft, die auch die Schwächeren mitzunehmen versucht, gehört zu den Handlungsfeldern deutscher Politik, in denen kulturelle Identität, Innenpolitik sowie Außenpolitik und Entwicklungszusammenarbeit ineinandergreifen.“
Dabei weist die Ministerin darauf hin, dass der Begriff der Genossenschaften mit Blick auf die deutsche Geschichte nicht ausschließlich positiv besetzt sei. „Die Gleichschaltung der Genossenschaften während des Nationalsozialismus und auch die Kollektivierung unter Zwang in den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften der DDR verlangen kritische Distanz.“
Das Genossenschaftsmuseum im Schulze-Delitzsch-Haus im nordsächsischen Delitzsch dokumentiert die Geschichte der Genossenschaften von der 1849 gegründeten Delitzscher Schuhmacher-Assoziation bis zur Gegenwart.
Grundlage des Genossenschaftsgedankens sind ethische Werte wie Solidarität, Ehrlichkeit und Verantwortung. Sie sind Vereinigungen mit nicht geschlossener Mitgliederzahl und gemeinschaftlichem Geschäftsbetrieb, die individuelles Engagement und Selbstbewusstsein stärken und soziale, kulturelle und ökonomische Partizipation ermöglichen. In der Satzung einer Genossenschaft wird der jeweilige Förderzweck festgeschrieben, der sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Interessen dienen kann. Mitglieder werden durch den Erwerb von Genossenschaftsanteilen zu Miteigentümern. Ihre von der Zahl der erworbenen Anteile unabhängige Stimme sichert ihnen Mitbestimmung und die Möglichkeit der aktiven Mitgestaltung zu.


Kontakt

Sächsisches Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus

Pressesprecher Falk Lange
Telefon: +49 351 564 60200
E-Mail: falk.lange@smwk.sachsen.de
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