Sachsen zeigen ihre Souvenirs aus der ehemaligen ČSSR
18.07.2018, 14:00 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)
im smac - Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz
Vor zwei Monaten startete das smac – Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz – einen Aufruf: Für einen Teilbereich der nächsten Sonderausstellung wurden Souvenirs gesucht, die ehemalige sächsische DDR-Bürger aus der damaligen Tschechoslowakei mitbrachten bzw. Erinnerungsstücke, die an die Zeit der „sozialistischen Bruderländer“ erinnerten. Knapp 70 Bürgerinnen und Bürger meldeten sich, darunter auch der bekannte Chemnitzer Formgestalter Professor Karl Clauss Dietel.
Eine Auswahl dieser Objekte stellt das smac ab Ende September in der Ausstellung „SACHSEN BÖHMEN 7000. Liebe, Leid und Luftschlösser“ aus.
„Wir sind überwältigt, dass so viele Menschen dem Aufruf in den Medien gefolgt sind. Wir können inzwischen aus einem Fundus von über 200 Objekten schöpfen. Leider zeigen wir nur einen verschwindend geringen Teil hiervon, doch werden wir die Exponate etwa alle zwei bis drei Monate austauschen – auch um dem bürgerlichen Engage¬ment unsere Wertschätzung zu zeigen“, so die Prähistorikerin Claudia Vattes. Sie ist im Kuratoren-Team der Sonderausstellung, bei der es um die 7000 Jahre währenden Kulturbeziehungen zwischen Sachsen und Böhmen geht, für das 20. Jahrhundert zuständig. Hierzu gehört auch die Zeit des Sozialismus in beiden Ländern, als Sachsen zur Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und Böhmen zur Tschechoslowakischen (Sozialistischen) Republik (ČSR/ČSSR) gehörten. Zwischen 1961 und 1971 war ein Besuch des jeweils anderen Landes nur auf Antrag und mit Visum möglich. Doch am 15. Januar 1972 schlossen die DDR und die ČSSR ein Abkommen, das den uneinge¬schränkten Grenzübertritt ermöglichte – mit anderen Worten: spontane Reisefreiheit. Dieses Datum markiert einen Höhepunkt im kulturellen Austausch der beiden sozialistischen Länder.
+++Vier Leihgeber und ihre Erinnerungsstücke+++
OBJEKT Wanderfahne zum Leistungsvergleich der Verkehrsbetriebe Karl-Marx-Stadt und Most-Litvinov
LEIHGEBER Thomas Laube, Sammlungsleiter der Straßenbahnfreunde Chemnitz e.V.
HINTERGRUNDINFORMATION Etwa ab 1966 gab es bis 1989/90 einen „Sozialistischen Wettbewerb zwischen dem VEB Nahverkehr Karl-Marx-Stadt und dem Städtischen Verkehrsbetrieb Most (Brüx)“. Vergleichsdaten für den Wettbewerb waren die Plankennziffern der Personenbeförderung, Fahrzeugeinsatzkoeffizienten, Pünktlichkeits¬grad und Energieverbrauch. Die Wanderfahne bekam der Verkehrs¬betrieb mit den besten Werten.
OBJEKT Aktionsprogramm der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KPČ) aus dem Jahr 1968.
LEIHGEBER: Prof. Karl-Clauss Dietel, Formgestalter, Chemnitz
HINTERGRUNDINFORMATION Karl-Clauss Dietel war mit der Tschecho¬slowakei während seiner Kindheit, zu Studentenzeiten und aus Interesse am tschechischen Funktionalismus zutiefst verbunden. Die Bestrebungen während des Prager Frühlings, einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ zu schaffen, verfolgte er mit Spannung und Sympathie über West-Fernsehen. Wie er an das ins Deutsche über¬tragene Aktionsprogramm der der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KPČ) vom 5. April 1968 gekommen ist, kann er sich nicht mehr erinnern. Doch es erfreute sich in seinem Freundes- und Bekanntenkreis großen Interesses, wie die vergriffenen Ränder des Dokuments nahelegen.
OBJEKT Album zu grenzüberschreitenden Amateurfußballspielen Falkenau – Frýdlant
LEIHGEBER Roland Seifert, Flöha-Falkenau
HINTERGRUNDINFORMATION Roland Seifert spielte in den 1980er Jahren Fußball in der Amateurmannschaft des „Fortschritt Falkenau“. Einer seiner Bekannten freundete sich während eines CSSR-Urlaubs in einer Kneipe bei Frýdlant mit einem Tschechen an. Schnell war die Idee geboren, dass sie wechselseitig Fußballturniere ausrichten könnten. Den Anfang machten die Tschechen: Im April 1986 kamen sie mit 25 Mann für ein Wochenende nach Falkenau. Noch im gleichen Jahr fand der sowohl sportliche als auch feucht-fröhliche Gegenbesuch der Falkenauer in Frýdlant statt.
Die Reihe der gegenseitigen Freundschaftsspiele wiederholte sich 1987 und 1988. In den beiden Jahren des politischen Umbruchs setzten die Besuche aus und wurden 1991/2 von den Tschechen aus finan¬ziellen Gründen abgewehrt. Erst 1993 fuhren die Falkenauer noch ein letztes Mal nach Frýdlant. In dem Album sind die Reisen humoristisch beschrieben und bebildert. Es finden sich auch Gedichte, ein Bier¬flaschen¬etikett, eine Kneipenrechnung und amtliche Dokumente hierin.
OBJEKT Konfektschale aus Böhmischem Glas
LEIHGEBERIN Siglinde Scheunert, Chemnitz
HINTERGRUNDINFORMATION Siglinde Scheunert absolvierte ihre Ausbildung zur Verkäuferin im Warenhaus „Merkur“ im ehemaligen Kaufhaus Schocken. Nach der Babypause arbeitete sie in einem Chemnitzer Textilwarenladen. Mit der Ladenbesitzerin verband sie eine enge Freundschaft, so dass sich die beiden Damen mit ihren Ehemännern 1982 einen Kurzurlaub in Karlovy Vary (Karlsbad) in der ČSSR gönnten. Im Hotel Esplande wollte Frau Scheunert in einem der auf Wohlhabende und Westtouristen ausgerichteten Geschäfte in der Hotellobby ein Erinnerungsstück aus Böhmischen Glas erwerben. Da ihr die Verkäuferin nur einen schmalen Ostmark-Geldbeutel zutraute, zeigte sie Frau Scheunert nur kleinen Nippes. Frau Scheunert kaufte eine der größeren Konfektschalen – wenn schon, denn schon. Diese steht bis heute in ihrem Wohnzimmer an prominenter Stelle.
+++Sonderausstellung „SACHSEN BÖHMEN 7000. Liebe, Leid und Luftschlösser“+++
(28. September 2018 – 31. März 2019)
Als die Wettiner und Georg von Podiebrad 1459 im Vertrag von Eger die Grenzlinie zwischen dem Kurfürstentum Sachsen und dem König¬reich Böhmen festlegten, schrieben sie eine der heute ältesten Grenzen Europas fest. Davon unbenommen blieb das Leben in der Grenzregion geprägt von grenzüberschreitenden Beziehungen, Gemeinsamkeiten und Überschneidungen.
SACHSEN BÖHMEN 7000 nimmt die facettenreiche und dynamische Beziehungsgeschichte beider Regionen in einem weiten chronolo¬gischen Rahmen von der Steinzeit bis zur Gegenwart in den Blick. Über Grenzen hinweg erzählt die Ausstellung von Verflechtungen, aber auch von Konflikten und Versöhnung, von Liebe und Streit, von Umarmung und Ausgrenzung. Sie lässt uns verstehen, warum sich Sachsen und Böhmen einerseits so nah, andererseits so fern sind.
Die Ausstellung präsentiert hochrangige Objekte der Archäologie und Kulturgeschichte aus beiden Regionen und bietet einen exklusiven Blick auf bedeutende Kunstschätze Böhmens. Aber auch die Menschen der Geschichte kommen nicht zu kurz. Denn es sind Männer und Frauen, die als politische Entscheidungsträger/innen, Kirchenvertreter, Intellektuelle, Soldaten, Handwerker und Künstler die Beziehungen knüpfen, pflegen, besiegeln, brechen oder bisweilen ganz verwerfen.
• 450 Exponate von über 100 Leihgebern aus Deutschland und der Tschechischen Republik
• Die Ausstellung entsteht in Kooperation mit der Nationalgalerie Prag, wo sie anschließend (ab Mai 2019) präsentiert wird.
• Schirmherr der Ausstellung ist der Ministerpräsident des Freistaats Sachsen Herr Michael Kretschmer.
• Es erscheint ein umfangreicher, reich bebilderter Katalog.
• Die Ausstellung wird gefördert im Programm Fellowship Internationales Museum der Kulturstiftung des Bundes und realisiert mit freundlicher Unterstützung der Ostdeutschen Sparkassenstiftung gemeinsam mit der Sparkasse Chemnitz sowie der MIBRAG.
• Weitere Partner sind:
Nationalmuseum Prag, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Karlsuniversität Prag, ISGV – Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde , GWZO – Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa, Akademie der Wissenschaften Prag, Deutsch-Tschechischer Zukunftsfond
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Jutta Boehme
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