Wirtschaftsminister der sechs von einem vorzeitigen Kohle-Ausstieg besonders betroffenen Bundesländer kritisieren Arbeit der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“

20.08.2018, 09:50 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)

Gemeinsame Medieninformation der Länder von Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt

Vor der Sitzung der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ (WSB-K) am 23. August drängen sechs Bundesländer auf eine gründliche Klärung der Faktengrundlage und die stärkere Berücksichtigung der Folgen einer vorzeitigen Beendigung der Kohleverstromung für Versorgungssicherheit und Strompreise.

Auf Initiative von NRW-Wirtschafts- und Energieminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart fordern die Wirtschaftsminister von Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt gemeinsam die Kommission auf, vor der Festlegung auf einen Plan zur vorzeitigen Beendigung der Kohleverstromung die energiewirtschaftliche Ausgangslage zu klären. „Dies ist aus unserer Sicht nur unzureichend geschehen“, schrieben die Minister den vier Vorsitzenden der WSB-K und legten Faktenchecks zu den Themen „Klimaziele“, „Versorgungssicherheit“ und „Strompreise“ vor. Ergebnis: Der Erhalt der Versorgungssicherheit auf dem aktuell hohen Niveau sei von zentraler Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Daher forderten sie die Entwicklung und Durchführung eines Stresstests für Versorgungssicherheit, der die Entwicklungen in den europäischen Nachbarländern einbezieht.

Martin Dulig, Sächsischer Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr und stellvertretender Ministerpräsident: „Wir brauchen auch weiterhin flexible konventionelle Kraftwerke als Ergänzung der Erneuerbaren. So lange bis Stromspeicher, Nachfrageflexibilisierung und intelligente Netze diese Rolle vollständig übernehmen können. Dabei sind wir die natürlichen Verbündeten, wenn es darum geht, unser Energiesystem innovativ, modern und zukunftsfest zu gestalten. Aber wir stehen auch bei den Menschen in den Revieren, den Beschäftigten, den Verbrauchern und den Unternehmerinnen und Unternehmern im Land in der Pflicht, diesen Wandel vernünftig und verlässlich zu gestalten.“

Albrecht Gerber, Wirtschafts- und Energieminister des Landes Brandenburg: „Mit einem vorzeitigen Ausstieg aus der Kohleverstromung ist niemandem gedient – auch dem Klima nicht. Flexible konventionelle Kraftwerke gewährleisten, dass die Energieversorgung sicher und bezahlbar bleibt. Sie werden noch so lange gebraucht, bis die erneuerbaren Energien diese Aufgabe vollständig übernehmen können. Dazu brauchen wir dringend einen schnelleren Ausbau der Stromleitungen und Speicher im industriellen Maßstab. Ansonsten machen wir uns immer stärker importabhängig, wenn immer mehr Kohlekraftwerke stillgelegt werden. Dann hinge die Stromversorgung in Deutschland unter anderem von Kohlestrom aus Polen und Tschechien ab – Emissionen würden lediglich in andere Länder verlagert. Aber in den betroffenen Regionen gäbe es einen erneuten Strukturbruch und einen massenhaften Verlust von gut bezahlten Arbeitsplätzen.“

Olaf Lies, Umwelt- und Energieminister des Landes Niedersachsen: „Wir können unsere Klimaziele nur erreichen, wenn wir die Energiewende vorantreiben. Dies ist auch der Auftrag der WSB Kommission. Niemand möchte zurück zur Kernkraft und allen ist klar, dass der Einsatz von Kohle heruntergefahren werden muss. Deshalb müssen wir uns überlegen, wie wir zukünftig unsere Energieversorgung aus erneuerbaren Energiequellen produzieren. Dafür müssen verlässliche Rahmenbedingungen für alle Beteiligten geschaffen werden.“

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Wirtschafts- und Energieminister von Nordrhein-Westfalen: „Die Kommission trägt nicht nur Verantwortung für die Beschäftigten der Kohlewirtschaft: Ein vorzeitiger Kohleausstieg würde zu steigenden Börsenstrompreisen führen und der energieintensiven Industrie schaden. Dabei steht viel auf dem Spiel: Die sichere Versorgung dieser Unternehmen zu international wettbewerbsfähigen Preisen entscheidet über die Zukunft von bundesweit mehr als 800.000 Arbeitsplätzen, ein Drittel davon in Nordrhein-Westfalen.“

Anke Rehlinger, Stellvertretende Ministerpräsidentin und Ministerin für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr des Saarlandes: „Bei einem vorzeitigen Kohle-Ausstieg muss der Systemrelevanz von bestehenden Kohlekraftwerken im Strom- und Wärmesektor angemessen Rechnung getragen werden. Nicht nur energie-, sondern auch strukturpolitisch sind energierechtliche Anreizmechanismen für unternehmerische Ersatzinvestitionen wichtig. Wir müssen ganz klar die Versorgungssicherheit für das Saarland im Auge behalten: umweltverträglich, sicher und bezahlbar.“

Prof. Dr. Armin Willingmann, Wirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt: „Der Ausstieg aus der Kohle muss mit Augenmaß erfolgen und vor allem die Auswirkungen auf die Wirtschaft im Lande in den Blick nehmen. Wer Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit vernachlässigt, legt Axt an den Industriestandort Deutschland und riskiert erneute Strukturbrüche im Osten und insbesondere auch in Sachsen-Anhalt. Hier geht Realitätssinn vor Ideologie. Zugleich ist es unerlässlich, die anstehende Strukturentwicklung schon jetzt mit Nachdruck anzugehen. Dafür sind die umfangreiche finanzielle Unterstützung durch den Bund sowie eine enge Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft notwendig. “

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