Lessing-Preisträger Marcel Beyer und Lessing-Förderpreisträgerinnen Anja Kampmann und Bettina Wilpert heute in Kamenz geehrt
19.01.2019, 17:30 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)
Preissumme für den Lessing-Preis und für die Förderpreise erhöht
Der Lyriker, Erzähler und Romancier, Hörspiel-Autor und Opern-Librettist, Essayist und Herausgeber Marcel Beyer ist heute in Kamenz mit dem Lessing-Preis des Freistaates Sachsen 2019 ausgezeichnet worden. Die beiden Förderpreise gingen an Anja Kampmann und Bettina Wilpert.
Die Preissumme für den Lessing-Preis wurde auf Anregung von Kunstministerin Dr. Eva-Maria Stange nach einem Beschluss der Sächsischen Staatsregierung in dieser Woche von 13.000 Euro auf 20.000 Euro, die Preissumme für die Förderpreise von 5.500 auf jeweils 7.500 Euro erhöht. Mit dem Preis werden Persönlichkeiten geehrt, deren Werk in der von Lessing geprägten geistigen Tradition steht und die für die deutschsprachige Literatur oder das deutschsprachige Theater Herausragendes geleistet haben.
Dr. Eva-Maria Stange: „Der Lessing-Preisträger Marcel Beyer und die Lessing-Förderpreisträgerinnen Anja Kampmann und Bettina Wilpert setzen die Reihe der bisherigen Preisträgerinnen und Preisträger würdig fort. Ihre literarische Arbeit knüpft im besten Sinne an Lessings Empfindungs-, Denk- und Schreibwelten an – nicht in fruchtloser Nachahmung, sondern indem sie seinen Anspruch aufgreifen und seine Klarheit bei der Auseinandersetzung mit seiner Gegenwart auf unsere Zeit übertragen.“
In ihrer Rede stellte Kunstministerin Dr. Stange die Unabhängigkeit von Kunst und Kultur heraus: „Kunst und Kultur beanspruchen ganz zu Recht ihre Unabhängigkeit von Vorgaben des Staates oder der Ökonomie. Jede und jeder von uns kann sich nur zu gut vorstellen, welchen Schaden sie nähme, wenn diese Autonomie verletzt würde. Für Versuche von Politikern, Kunst zurückzudrängen, die ein enges Welt- und Kunstverständnis übersteigt, etwa nicht ‚deutsch‘ genug oder nicht konventionell genug ist, gibt es nur ein Wort, und dieses sollte nicht nur bei den Hiesigen, die es noch allzu gut kennen, die Alarmglocken klingen lassen: Zensur!“
Wenn die Politik mittels Preisverleihungen oder auch sonst mit Förderungen in die Sphäre der Kunst und Kultur übergreife, müsse sie das mit der gebotenen Achtsamkeit tun, um nicht übergriffig oder willkürlich zu sein. „Eine politische Institution wie die Sächsische Staatsregierung tut gut daran, sich der Sachkunde von ausgewiesenen Expertinnen und Experten zu versichern. Als solche habe ich die Mitglieder des Kuratoriums für den Lessing-Preis erlebt, die mit großem Ernst, mit Leidenschaft und beeindruckender Kennerschaft ihre Entscheidungen auch für diesen Preis getroffen haben“, betonte Kunstministerin Dr. Eva-Maria Stange heute in Kamenz.
Marcel Beyer, 1965 in Tailfingen (Baden-Württemberg) geboren und seit 1996 in Dresden lebend, ist ein produktiver Schriftsteller, der sich in den verschiedensten Genres so erfolgreich profiliert hat, dass ihm 2016 als höchste literarische Auszeichnung der Georg-Büchner-Preis verliehen wurde. Sein wohl erfolgreichster, in Dresden spielender Roman „Kaltenburg“ (2008) wurde zu Recht dafür gerühmt, dass sich Beyer in einer Prosa feinster Andeutungen als meisterhafter Beobachter menschlicher Lebensläufe erweist, in denen deutsche Geschichte sichtbar wird. Dieses literarische Prestige hinderte Beyer nicht, in jüngster Zeit Karl Jaspers‘ Frage vom November 1931 nach der geistigen Situation der Zeit aufzunehmen und angesichts aktueller Gefährdungen so prinzipiell wie leidenschaftlich zu fragen: „An welcher letzten Grenze kommt das Menschliche abhanden?“ Wenn Goethe in seinen letzten Lebensjahren forderte: „Ein Mann wie Lessing täte uns not“, so vermag kaum ein Schriftsteller unserer Zeit dieser Mahnung so zu entsprechen wie Marcel Beyer, so in der Begründung der Jury.
Neben dem Hauptpreis werden auch zwei Förderpreise zum Lessing-Preis verliehen, mit denen vielversprechende Anfänge auf diesen Gebieten öffentlich anerkannt werden sollen.
In dichter poetischer Sprache erzählt die Lyrikerin Anja Kampmann, geb. 1983, in ihrem ersten Roman „Wie hoch die Wasser steigen“ von einer bodenlosen Arbeitswelt, dem dadurch aufgezwungenen Nomadentum und dem Verlust selbst des Gefühls für Heimat. In starken Bildern beschreibt sie die Suche nach dem eigenen Leben, das nicht nur gefunden, sondern vollkommen neu definiert werden muss.
Bettina Wilpert, geb. 1989, ist in Altötting aufgewachsen und lebt in Leipzig. 2018 erschien ihr Debütroman „Nichts, was uns passiert“. Der Roman arbeitet heraus, wie unterschiedlich eine Vergewaltigung wahrgenommen und bewertet werden kann. Durch die #MeToo-Debatte zusätzlich aktuell geworden, führt Wilperts Roman beklemmend und faszinierend zugleich vor, was Literatur leisten kann: wie sie klarer sehen lässt, wenn sie den Bruch vom normalen ins zerstörte Leben von allen Seiten beleuchtet.
Der Lessing-Preis des Freistaates Sachsen wird seit 1993 alle zwei Jahre in Kamenz verliehen.
Bisherige Lessing-Preisträger:
- 2017 Kurt Drawert; Förderpreise: Thomas Freyer und Anna Kaleri
- 2015 Carolin Emcke; Förderpreise: Julius Fischer und Wolfram Höll
- 2013 Volker Lösch; Förderpreise: Franziska Gerstenberg und Judith Schalansky
- 2011 Monika Maron; Förderpreise: Renatus Deckert und Andreas Heidtmann
- 2009 Kito Lorenc; Förderpreise: Ulrike Almut Sandig und Dirk Laucke
- 2007 Ruth Klüger; Förderpreise: Volker Sielaff und Clemens Meyer
- 2005 Armin Petras; Förderpreise: Martina Hefter und Jörg Bernig
- 2003 Hans Joachim Schädlich; Förderpreise: Anke Stelling zusammen mit Robby Dannenberg und Christian Lehnert
- 2001 Adolf Dresen; Förderpreise: Barbara Köhler und Oliver Bukowski
- 1999 Eduard Goldstücker; Förderpreise: Marion Titze und Marcel Beyer
- 1997 Wolfgang Hilbig; Förderpreise: Kerstin Hensel und Ulrich Zieger
- 1995 Rolf Hoppe; Förderpreis: Angela Krauß
- 1993 Hans Sahl; Förderpreis: Lutz Graf