Schulgeldfreiheit für Gesundheitsfachberufe und Digitalisierung im Gesundheitswesen
06.06.2019, 12:00 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)
92. Gesundheitsministerkonferenz (GMK) unter sächsischem Vorsitz in Leipzig
Die 92. Gesundheitsministerkonferenz (GMK) hat im Beisein von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn auf ihrem zweitägigen Treffen in Leipzig darüber beraten, wie die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorangebracht werden kann. Die GMK fordert in ihrem Beschluss vom Bund einfachere Verfahren, sinnvolle Vergütung und regionale Experimentierräume ein, um die Digitalisierung im Gesundheitswesen voranzubringen. Vor dem Hintergrund, dass das Gesundheitswesen Schlusslicht im Branchenvergleich ist, wenn es um den Digitalisierungsgrad geht, betont die GMK den dringenden Entwicklungsbedarf.
Die Vorsitzende der GMK, Sachsens Gesundheitsministerin Barbara Klepsch, sagte: „Es ist mir sehr wichtig, dass wir das Potenzial digitaler Lösungen nutzen, um die medizinische Versorgung flächendeckend sicherzustellen und zu verbessern. Der Zugang zu digitalen Technologien muss sowohl Patienten als auch Leistungserbringern so leicht wie möglich gemacht werden. Deshalb gilt es Sorge dafür zu tragen, dass geeignete Vergütungs- und Verfahrensregelungen gefunden werden. Besonders wichtig wird es künftig sein, mit Unterstützung digitaler Lösungen innovative, regionale Versorgungsmodelle entwickeln zu können.“
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erklärte: „Die Digitalisierung sinnvoll zu nutzen, ist eine der großen Herausforderungen der Gesundheitspolitik der nächsten Jahre. Wenn wir die Chancen des digitalen Wandels ergreifen, können wir den Patienten-Alltag besser machen. Deshalb begrüße ich es ausdrücklich, dass die Gesundheitsminister dieses Thema aufgreifen. Wir sollten den digitalen Wandel gestalten und nicht erleiden.“
Mit Blick auf den inzwischen vorliegenden Gesetzentwurf für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation mahnt die GMK an, regionale Spielräume in Form von "Erprobungs- und Experimentierklauseln" auch für die digital unterstützte gesundheitliche Versorgung zu eröffnen. Die Länder sollen dabei beteiligt werden, indem sie die medizinische Versorgung in den Regionen aktiv gestalten können.
"Medizinische Versorgung findet in Zukunft zunehmend regional statt. Städtische Regionen brauchen andere Strukturen als ländliche Räume. Eine einheitliche Lösung wird es nicht geben und dafür ist die Digitalisierung ein wesentlicher Baustein“, so Barbara Klepsch weiter.
Die GMK fordert das Bundesgesundheitsministerium außerdem auf, bis Ende 2019 eine bundeseinheitliche Regelung zur Schulgeldfreiheit für alle nichtakademischen Gesundheitsfachberufe vorzulegen. „Finanzielle Hürden, die den Zugang zu Ausbildungen in den Gesundheitsfachberufen erschweren, gehören abgeschafft“, erklärt die Vorsitzende der GMK, Barbara Klepsch auch vor dem Hintergrund der Kundgebung von Fachkräften des Gesundheitswesens am ersten Tag der Konferenz.
„Wir müssen alles dafür tun, um diese Berufe attraktiver zu gestalten. Dafür muss die organisatorische und inhaltliche Ausgestaltung der Ausbildungen insgesamt auf den Prüfstand. Die Schulgeldfreiheit ist ein Schritt in die richtige Richtung“, so die sächsische Gesundheitsministerin weiter.
Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann erklärt: „Bereits im letzten Jahr haben wir in Nordrhein-Westfalen als erstes Bundesland den Einstieg in die Schulgeldfreiheit umgesetzt. Andere Bundesländer haben diese mittlerweile auch realisiert oder sind auf dem Weg. Damit wird eine große Ungerechtigkeit beendet. Bei Ärzten oder Apothekern bezahlt der Staat das Studium. In den Gesundheitsfachberufen müssen die Menschen ihre Ausbildung aus eigener Tasche bezahlen. In den Beratungen sind sich die Bundesländer vor allem in einem Punkt einig: Aus dem Einstieg muss unbedingt eine vollständige, bundesweite Schulgeldfreiheit werden.“
Auch Hamburg stellt seit April übergangsweise eine Finanzierung der Schulkosten in privaten Berufsfachschulen für die Berufe Ergotherapie, Physiotherapie und Logopädie aus Landesmitteln sicher. Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks: „Unser Engagement im Land entlässt die Bundesregierung aber nicht aus ihrer Verpflichtung, für eine bundeseinheitliche Finanzierung der Schulgeldfreiheit in den Gesundheitsfachberufen unter Einbeziehung der Gesetzlichen Krankenversicherung zu sorgen. Denn es kann nicht sein, dass bei Mangelberufen im Gesundheitswesen die Auszubildenden auch noch Geld mitbringen müssen.“
Auf Initiative Hamburgs wird die GMK eine gemeinsame Strategie zur Reduzierung des Zucker-Konsums in Deutschland erarbeiten. Dazu erklärt Senatorin Prüfer-Storcks: „Um den Zucker im alltäglichen Speiseplan zu reduzieren, brauchen wir wirksame Maßnahmen: Zucker in Babynahrung sollte verboten, für Fertiglebensmittel und Getränke müssen verbindliche Zucker-Reduktionsziele festgelegt werden. Die höhere Besteuerung von Tabak und Alkopops hat gezeigt, dass damit der Konsum schnell und deutlich gesenkt werden konnte. Deshalb spreche ich mich für die Einführung einer Zuckersteuer aus. Langfristig müssen wir unsere unsystematisch gewachsenen Umsatzsteuer-Regeln überarbeiten und gezielt gesunde Lebensmittel niedriger besteuern. Um mehr Transparenz für die Verbraucherinnen und Verbraucher zu gewährleisten, sollten wir endlich auch in Deutschland eine Nährwertampel auf Lebensmittelverpackungen einführen. Dabei halte ich nach wie vor das mit Ampelfarben ausgestattete Nutri-Score-System für am besten geeignet.“ Die Länder werden sich mit den Vorschlägen befassen, um mit wirksamen Maßnahmen den gesundheitlichen Gefahren von zu hohem Zuckerkonsum zu begegnen.
Weitere wichtige Beschlüsse der GMK sind unter anderem:
Masernimpfpflicht
Die GMK stellt fest, dass trotz in Deutschland gestiegener Impfquoten gegen die Masern es hierzulande immer wieder zu Masernerkrankungen kommt, von denen nicht nur Kinder bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres, sondern insbesondere auch junge Erwachsene betroffen sind. Die GMK ist der Überzeugung, dass bei sich regional unterschiedlich darstellenden Impfquoten ein länderübergreifendes Vorgehen erforderlich ist, um die für die Eliminierung der Masern notwendige Impfquote von 95% in der Bevölkerung in Deutschland zu erreichen. Daher begrüßt sie die Initiative des Bundesgesundheitsministers, eine bundesweit einheitliche Regelung zur Masernimpfpflicht zu schaffen, mit der vulnerable Personengruppen in Gemeinschaftseinrichtungen und medizinisches Personal erreicht werden soll. Sie hält ergänzende Maßnahmen zur Schließung von Impflücken bei Erwachsenen für notwendig. Sie fordert die Bundesregierung auf, sich an den Kosten, insbesondere für den ÖGD, zu beteiligen.
Personalisierte Medizin
Die Personalisierte Medizin (PM) entwickelt sich rasant und wird in absehbarer Zeit routinemäßiger Bestandteil der Patientenversorgung sein. Aufgrund der sich ständig vergrößernden Datenmengen wird sich die daten- und algorithmengestützte Therapieempfehlung schnell weiterentwickeln. Wesentlich für eine sichere medizinische Versorgung und auch unter dem Blickwinkel der Patientenrechte ist dabei, dass schon jetzt während dieser Entwicklungsphase und im Rahmen von Erprobungsmodellen über Standards und auch Verfahren gesprochen wird.
Die GMK informierte sich daher zunächst über den aktuellen Sachstand zur Personalisierten Medizin in den Ländern und bittet nun den Bund, gemeinsam mit den Ländern den ordnungs- und förderpolitischen Rahmen zu schaffen und die erforderlichen Standards für eine transparente Nutzung der Erkenntnisse und Daten in der Versorgung festzulegen. Dabei sollen die in der Forschung auf dem Gebiet der personalisierten Medizin gewonnenen Erkenntnisse und Methoden mit einbezogen werden. Zu nennen ist hier insbesondere die BMBF- Förderinitiative Medizininformatik.
„In der medizinischen Forschung ist es schon fast Alltag, dass wir uns mit der Entwicklung von intelligenten Algorithmen beschäftigen, die auf Grundlage von „Big Data“ und den daraus ermittelten Wahrscheinlichkeiten Behandlungs- und Therapievorschläge für Patienten ableiten sollen. In der tatsächlichen Versorgungspraxis spielt die Anwendung von Künstlicher Intelligenz noch keine Rolle, wird aber zukünftig versorgungsrelevant. Das birgt Chancen, aber auch Risiken. Daher müssen wir rechtzeitig die Rahmen diskutieren und die Anwendungsbereiche definieren.“, erklärt die GMK-Vorsitzende Klepsch.
Masterplan Medizinstudium 2020
Die GMK spricht sich für eine zügige Umsetzung der Festlegungen des Masterplans Medizinstudium 2020, insbesondere für die vorgesehene Änderung der Ärzteapprobationsordnung (ÄApprO), aus. Ziel des Masterplans ist die Stärkung der Allgemeinmedizin in der ärztlichen Ausbildung. Die GMK fordert, in der neuen ÄApprO eine großzügige Übergangsregelung für bestehende Modellstudiengänge vorzusehen. Weiterhin mahnt sie eine gleichberechtigte Mitwirkung der Gesundheitsressorts der Länder sowie des Instituts für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) an der Ausgestaltung der bundeseinheitlichen staatlichen Prüfung an.
Tests für Medizinische Studiengänge (TMS)
Es ist den Gesundheitsbehörden der Bundesländer ein wichtiges Anliegen, dass bei der Bewerbung um die Medizinstudienplätze alle Bewerberinnen und Bewerber die gleichen Chancen haben. An zahlreichen Universitäten ist bereits jetzt das Ergebnis des Tests für medizinische Studiengänge (TMS) wichtiges Auswahlkriterium. Dieser findet nur einmal jährlich, und zwar immer Anfang Mai, statt. In einigen Bundesländern ist der Mai Abiturprüfungszeit. Daher sind einige Bewerberinnen und Bewerber durch die Prüfungen gehindert, an dem Test teilzunehmen. Die GMK bittet daher die Kultusministerkonferenz, bei der Koordinationsstelle für diesen Test an der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg darauf hinzuwirken, den Test für Medizinische Studiengänge künftig zweimal pro Jahr anzubieten. Er könnte künftig wie bisher im Mai und zusätzlich im Herbst, z.B. November angeboten werden.
Bundesweites Pollenmonitoring
Die GMK setzt sich für ein gesichertes und modernes Pollenmonitoring ein, damit auch zukünftig eine valide Pollenflugvorhersage gewährleistet werden kann. Gerade für Allergiker ist die Prognose des Pollenflugs von großer Bedeutung. So kann zum Beispiel die Einnahme von Antiallergika besser geplant werden. „Immerhin betrifft Heuschnupfen etwa 15 Prozent der deutschen Bevölkerung – ein guter Grund, warum ein Pollenmonitoringsystem der staatlichen Daseinsfürsorge und damit einer Bundeseinrichtung, wie z.B. dem Deutschen Wetterdienst“, zugeordnet werden sollte“, merkte die sächsische Gesundheitsministerin und GMK-Vorsitzende Barbara Klepsch dazu an.
Hintergrund:
Die Gesundheitsministerkonferenz ist eine Fachministerkonferenz der Länder. Ihr gehören die Gesundheitsministerinnen und Gesundheitsminister sowie die Gesundheitssenatorinnen und Gesundheitssenatoren der Länder an. Der Bundesgesundheitsminister ist ständiger Gast der GMK. Der Vorsitz der GMK wechselt jährlich. Im kommenden Jahr wird Berlin Vorsitzland. Schwerpunktthema wird dann der Zugang zur medizinischen Versorgung in einer vielfältigen Gesellschaft sein.
Die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci sagte: „Wir freuen uns sehr, die GMK 2020 in der Gesundheitsstadt Berlin begrüßen zu dürfen. Gerade in Großstädten, aber auch in unserer Gesellschaft generell ist der Zugang zum Gesundheitswesen nicht für alle Menschen gleichermaßen möglich. Insbesondere für Menschen mit Behinderungen, Obdachlose, zugewanderten Menschen ist das gesundheitliche und pflegerische Regelsystem schwerer zugänglich. Auch gibt es in Deutschland schätzungsweise eine Million Menschen ohne Krankenversicherungsschutz. Im nächsten Jahr soll es schwerpunktmäßig um verschiedene Fragen der Zugänge in einer vielfältigen Gesellschaft gehen.“
Alle Beschlüsse der diesjährigen Gesundheitsministerkonferenz sind ab 10. Juni 2019 unter www.gmkonline.de einsehbar.