Geschäftsbericht 2020 der Ordentlichen Gerichtsbarkeit des Freistaates Sachsen vorgestellt
01.07.2021, 13:52 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)
Volle Arbeitsfähigkeit auch in der Pandemie/ Weiter starke Belastung durch "Diesel-Abgas-Verfahren"/ Generationenwechsel, Nachwuchsgewinnung und Digitalisierung im Fokus
Der Präsident des Oberlandesgericht Dresden, Dr. Leon Ross, hat auf der Jahrespressekonferenz am 1. Juli 2021 den Geschäftsbericht für das Jahr 2020 vorgestellt: »Die hohe Leistungsfähigkeit und Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat es ermöglicht, dass die sächsischen Gerichte auch unter Pandemiebedingungen jederzeit arbeitsfähig geblieben sind. Gleichzeitig haben wir die Weichen für die flächendeckende Einführung der E-Verfahrensakte gestellt. Die Digitalisierung der Justiz und der Generationenwechsel werden unsere Arbeit in den nächsten Jahren prägen.«
An den Landgerichten sind die Eingänge in Zivilsachen um mehr als 3 % angestiegen (11.377 Eingänge 2020/ 11.011 Eingänge 2019). Noch höher war mit 4,5 % der Anstieg bei den Kammern für Handelssachen. Dagegen sind bei den Amtsgerichten und beim Oberlandesgericht weniger Zivilverfahren eingegangen als im Vorjahr. Beim Oberlandesgericht machten die Diesel-Abgas-Verfahren im Jahr 2020 gut ein Drittel aller neu eingegangenen Berufungen aus; Musterfeststellungsklagen zur Wirksamkeit von Zinsanpassungsklauseln in Sparverträgen wurden wiederholt verhandelt.
In Strafsachen waren die Eingänge bei den Amts- und Landgerichten weitgehend stabil, beim Oberlandesgericht gab es bei Revisionen gegenüber dem Jahr 2019 einen Rückgang um etwa 7 %. Die Eingänge von erstinstanzlichen Strafverfahren wegen des Vorwurfs terroristischer Straftaten sind beim Oberlandesgericht dagegen auf dem Vorjahresniveau geblieben; um für die Verhandlung derartiger Verfahren den notwendigen Sicherheitsrahmen bieten zu können, wird gegenwärtig der Bau eines neuen Prozessgebäudes für das Oberlandesgericht vorbereitet, das die derzeitige Interimsunterbringung am Dresdner Hammerweg ablösen wird.
In Familiensachen sind die Eingänge sowohl bei den Amtsgerichten als auch beim Oberlandesgericht geringfügig gesunken.
Die Zahl der eröffneten Insolvenzverfahren hat sich deutlich verringert, im Jahr 2020 um mehr als 25% gegenüber dem Vorjahr; die Anzahl der eröffneten Verbraucher- und Kleininsolvenzverfahren ist um rund 33 % gesunken.
Zurückgegangen ist auch die Zahl der den Gerichtsvollziehern erteilten Zwangsvollstreckungsaufträge, hier gab es eine Verringerung um rund 13%. Ähnliches gilt auch für die Anträge auf Abnahme der Vermögensauskunft (Rückgang um rund 8 %). Dagegen gab es 5 % mehr Räumungsaufträge als 2019.
In der Corona-Pandemie galt es, die Gesundheit der Bediensteten, Verfahrensbeteiligten und Besucher zu schützen und gleichzeitig den Dienstbetrieb aufrecht zu erhalten. Dies ist erfolgreich gelungen. Plexiglasabtrennungen, Zugangsbeschränkungen, Sicherheitsabstände, die zeitweise Konzentration auf dringliche Verfahren sowie die die konsequente Durchsetzung der Maskenpflicht haben dabei gute Dienste geleistet. Gleichzeitig ist es gelungen, keine größeren Verfahrensrückstände aufzubauen. Dies ist der Einsatzbereitschaft und dem Verantwortungsbewusstsein der Justizbediensteten, aber auch dem konstruktiven Zusammenwirken mit der Rechtsanwaltschaft zu verdanken, die die notwendigen Beschränkungen akzeptiert und neue Wege, wie etwa Verhandlungen per Videokonferenz, unterstützt hat.
Die ordentliche Gerichtsbarkeit ist in Sachsen Vorreiter für die Einführung der elektronischen Verfahrensakte. Die Pilotierungen beim Landgericht Dresden und beim Amtsgericht Dresden sind abgeschlossen. Schritt für Schritt wird nun bei allen Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit die E-Verfahrensakte eingeführt – den Anfang haben die Zivilkammern des Landgerichts Zwickau am 23. Juni 2021 gemacht. Die Einführung bei den Zivilsenaten des Oberlandesgerichts ist im Oktober 2021 vorgesehen.
Neben der Digitalisierung stehen der Generationenwechsel und die Nachwuchsgewinnung auf der Prioritätenliste der ordentlichen Gerichtsbarkeit des Freistaates Sachsen ganz oben.
Derzeit sind bei 25 Amtsgerichten, fünf Landgerichten und dem Oberlandesgericht Dresden 760 Richter/innen, 740 Rechtspfleger/innen, 125 Sozialarbeiter/innen der Justiz, 1.549 Mitarbeiter/innen der Geschäftsstellen und Schreibkanzleien sowie 353 Justizwachtmeister/innen tätig.
In den nächsten neun Jahren werden in der ordentlichen Gerichtsbarkeit allerdings etwa 60 % aller Richter/innen in den Ruhestand eintreten. Durch eine vorausschauende Personalpolitik gilt es, diesen einschneidenden Generationenwechsel zu gestalten, ohne die Arbeitsfähigkeit der Gerichte zu beeinträchtigen. Im Vordergrund stehen dabei die Gewinnung hochqualifizierter Nachwuchskräfte, die Weitergabe des richterlichen Erfahrungswissens und die Schaffung einer gesunden Altersstruktur für die Zukunft. Die Erhöhung der Referendarzahlen auf nunmehr 608 (Stand 31.12.2020) ist dabei ein wichtiger Schritt.
Auch in den anderen Laufbahnen der Justiz ist die Gewinnung gut ausgebildeten Personals von größter Bedeutung. Im Rahmen der Ausbildungsoffensive der Sächsischen Staatsregierung konnten dabei erhebliche Fortschritte gemacht werden. So absolvieren derzeit 98 Rechtspflegeranwärter/innen und 149 Justizsekretäranwärter/innen den Vorbereitungsdienst. Die Zahl der Rechtspflegeranwärter/innen wird in den nächsten zwei Jahren noch weiter erhöht werden.
Weitere Einzelheiten zur Geschäftsstatistik der ordentlichen Gerichtsbarkeit 2020 und ein Ausblick auf die Personalstrukturentwicklung sind auf der Homepage des OLG Dresden (www.justiz.sachsen.de/olg/) unter »Aufgaben und Zuständigkeit« – »Das Oberlandesgericht« – »Jahresstatistik 2020« abrufbar.