Barrierefreiheit im ÖPNV ist mehr als die Einhaltung von DIN-Normen
05.12.2024, 13:59 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)
Fachtagung »Mehr Barrierefreiheit im ÖPNV/SPNV im Freistaat Sachsen«
Gestern fand in der Sächsischen Aufbaubank Dresden eine offene Fachtagung zum Thema »Mehr Barrierefreiheit im ÖPNV/SPNV im Freistaat Sachsen« statt. Eingeladen hatten der Landesinklusionsbeauftragte Michael Welsch, das Projekt »ÖPNV/SPNV für alle" der Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe Sachsen e.V., sowie das Projekt »ÖPNV für alle« – Region Südwestsachsen – des Sozialverbands VdK Sachsen e.V.
§ 8 Absatz 3 Satz 3 Personenbeförderungsgesetz (PBefG) enthält schon seit 2013 die Formulierung, dass die Nahverkehrspläne die Belange der in ihrer Mobilität oder sensorisch eingeschränkten Menschen mit dem Ziel zu berücksichtigen hat, für die Nutzung des ÖPNV bis zum 1. Januar 2022 eine vollständige Barrierefreiheit zu erreichen. Fast drei Jahre nach diesem Stichtag ist Barrierefreiheit im ÖPNV/SPNV längst noch keine Selbstverständlichkeit.
»Barrierefreie Mobilität ist kein wünschenswertes Beiwerk, sondern hat als Wesensmerkmal von Inklusion einen Menschenrechtsgehalt. Außerdem ist mangelnde Barrierefreiheit im Jahr 2024 ein Armutszeugnis für eine moderne Industrienation«, so der Landesinklusionsbeauftragte.
Expertinnen und Experten von Betroffenenverbänden, Verkehrsbetrieben sowie aus der Kommunalverwaltung arbeiteten als Probleme bei der Umsetzung von Barrierefreiheit die oft fehlende oder zu späte Beteiligung von Betroffenen bei der Planung von Projekten, die fehlende Förderung von Zuwegungen zu Haltestellen in den Förderrichtlinien des Freistaates, nur bruchstückhafte Informationen zur Barrierefreiheit von Verkehrsinfrastruktur (fehlendes sachsenweites Haltestellenkataster) sowie die mangelhafte Vernetzung aller Partner in der Verkehrsinfrastrukturplanung heraus.
Anhand des Haltestellenleitfadens der Stadt Görlitz und des Konzeptes der Musterhaltestelle der Inklusionsbeauftragten im Landkreis Görlitz wurde aufgezeigt, wie Barrierefreiheit in der Praxis erfolgreich umgesetzt werden kann.
In Sachsen lebten zum Stichtag 31. Dezember 2023 rund 454.000 schwerbehinderte Menschen. Das sind rund 11,8 % der Bevölkerung und 21.420 mehr als zur letzten Erhebung von Ende 2021.
»Barrierefreiheit im öffentlichen Personennahverkehr ist für mehr als 10 Prozent der Bevölkerung unentbehrlich, für etwa 40 Prozent nützlich, aber für 100 Prozent komfortabel«, so Michael Thriemer, Leiter des Projekts »ÖPNV für alle« – Region Südwestsachsen.
»Fehlende Barrierefreiheit hingegen sorgt nicht nur für körperliche Erschwernisse, sondern auch für psychische. Wichtig ist neben dem Einhalten der Mindestanforderungen der einschlägigen DIN-Normen, die Belange von Menschen mit Behinderungen umfassend zu berücksichtigen«, fügte Thomas Naumann, Fachplaner barrierefreies Bauen bei der Koordinierungs- und Beratungsstelle Barrierefreies Planen und Bauen in Sachsen der LAG-SH hinzu.
Projektkoordinatorin Kerstin Hammer ergänzte: »Deshalb ist es besonders wichtig, verantwortliche Akteure zur barrierefreien Gestaltung von Haltestellen und Verkehrsinfrastruktur stärker zu sensibilisieren. Die Fachtagung war dafür ein wichtiger Meilenstein.«