Trotz Brexit: »Interesse an Kooperationen und Zusammenarbeit mit Großbritannien ist enorm.«
17.05.2022, 12:31 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)
Auslandsreise von Wirtschaftsminister Martin Dulig startet mit Terminen in London und Birmingham | Kernthemen: Europäische Zusammenarbeit, Life Sciences, Wasserstoff
Zu Beginn seiner Großbritannien-Reise hat sich Wirtschaftsminister Martin Dulig mit britischen Ministern getroffen. Im Londoner Ministerium für Internationalen Handel traf er am Montag zunächst Lord Grimstone of Boscobel, Minister für Investitionen. Dulig: »Der Lord war außerordentlich gut über Sachsen informiert und wollte viel wissen über den Transformationsprozess in der Automobilindustrie. Er hat meine Einladung, nach Sachsen zu kommen, sehr gern angenommen und seinen Besuch zugesagt.« Vor allem die Themen Energie- und Klimawandel spielten eine große Rolle; so möchte Großbritannien gern enger mit sächsischen Firmen zusammenarbeiten - trotz oder gerade wegen des »Brexit«. »Der Brexit spielt in den Gesprächen natürlich immer eine Rolle. Aber alle Seiten, egal ob sie für oder gegen den Austritt aus der EU waren, wollen nach vorn schauen und dafür sorgen, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit innerhalb Europas erhalten bleibt. Vor allem unsere Erfahrungen in der gesamten Wertschöpfungskette von Wasserstoff stießen auf Interesse. Großbritannien möchte viel erneuerbare Energie über Wind erzeugen. Die Insellage hilft dabei sehr, um aus Wind grünen Wasserstoff für die Industrie zu gewinnen«, so Dulig weiter.
Anschließend traf sich Martin Dulig mit Stephen Doughty, dem Schattenminister für Europa und Amerika bzw. dem Außenexperten der oppositionellen Labour-Party. Der Schwerpunkt des Gespräches lag auf den Auswirkungen des Brexit. Dulig: »Vor allem aber haben wir über engere Kooperationen in Europa, vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges, gesprochen. Wie wir auch will Großbritannien unabhängig von Öl und Gas werden. Auch die Auswirkungen von Putins Krieg auf die Menschen haben wir besprochen. Stephen Doughty erklärte, dass es im Gegensatz zu Deutschland mit seinen umfangreichen Hilfsprogrammen für die Bevölkerung kaum entsprechende Hilfen im Vereinigten Königreich gibt. Er zeigte sich sehr interessiert an unseren Programmen.«
Darüber hinaus standen Netzwerkveranstaltungen auf dem Programm. Der dynamische Wirtschaftsstandort Sachsen präsentierte sich am Montagabend beim Empfang in der Residenz des deutschen Botschafters in London und beim »SAXONY!«-Event am Dienstag in Birmingham. Die rund 20-köpfige sächsische Delegation traf dort auf zahlreiche Multiplikatoren aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik.
»Unser Interesse an Kooperationen mit Großbritannien ist enorm – trotz des Brexit und gerade angesichts der geopolitischen Herausforderungen«, betonte Martin Dulig. »Großbritannien ist für Sachsen auch nach dem EU-Austritt ein unverzichtbarer Partner. Insbesondere in den Bereichen Wasserstoff, Life Sciences sowie emissionsarme Mobilität in Bahntechnik und Automobilindustrie wollen wir die Zusammenarbeit vertiefen. Der Ausbau der erneuerbaren Energien und die Souveränität bei der Gewinnung von Rohstoffen wie Zinn und Lithium sind gerade jetzt auch zentrale Fragen der nationalen und europäischen Sicherheit.«
Im Bereich Bio- und Gesundheitswissenschaften (Life Sciences) kooperiert die Technische Universität Dresden bereits im Rahmen der »transCampus«-Initiative seit 2015 erfolgreich mit dem King’s College London, das Martin Dulig am Montag besuchte. Aus der erfolgreichen Zusammenarbeit beider Exzellenzuniversitäten ist das britisch-sächsische Start-up »Innate Repair« hervorgegangen, das neue Therapien gegen Krebserkrankungen entwickelt. »Life Sciences sind eine der Schlüsselbranchen dieses Jahrhunderts«, betonte Minister Dulig. »Sachsen hat sich in den vergangenen 20 Jahren zu einer dynamischen Biotechnologie-Region entwickelt. Dafür lassen sich viele erfolgreiche Beispiele nennen: zum Beispiel das Nationale Strahlenforschungszentrum OncoRay in Dresden, das Zentrum für Innovationskompetenz ICCAS in Leipzig, das auf Gen- und Zelltherapeutika spezialisierte Zukunftscluster SaxoCell und das Else Kröner Fresenius Zentrum für Digitale Gesundheit in Dresden. Seit 2020 hat das sächsische Life-Science-Cluster auch gezeigt, dass es einen entscheidenden Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie leisten kann. Der Freistaat Sachsen will in Zukunft in der Biotechnologie noch stärker den Transfer der Forschungsarbeit unterstützen, damit diese Potenziale auch industriell genutzt werden.«
In Birmingham, die zweitgrößte Stadt des Vereinigten Königreiches und Partnerstadt von Leipzig, besuchte Wirtschafts- und Verkehrsminister Dulig am Dienstag das Eisenbahn-Kompetenzzentrum »Birmingham Centre for Railway Research und Innovation«. Der Bahntechniksektor im Freistaat Sachsen gehört mit 13.000 Beschäftigten in 240 Unternehmen zu den Top-3-Zentren der Branche in Deutschland. Das sächsische Cluster Rail.S möchte die Reise nutzen, um die Kontakte zum Partner-Netzwerk Railway Industry Association auszubauen. Zudem wird die Zusammenarbeit mit der Universität Birmingham intensiviert, wo Erfahrungen aus sächsischen Projekten einfließen. Im Beisein von Minister Dulig unterzeichneten die University of Birmingham und die Fakultät Verkehrswissenschaften »Friedrich List« der TU Dresden eine Absichtserklärung (»Memorandum of Understanding«) für gemeinsame Forschungs- und Lehraktivitäten sowie den Studenten- und Personalaustausch.
Im Innovationszentrum »Tyseley Energy Park« informierte sich Martin Dulig über den Einsatz von Wasserstoffbussen. Birmingham betreibt seit 2021 eine Flotte von 20 dieser Fahrzeuge, welche im Tyseley Energy Park betankt werden. Die Anschaffung 124 weiterer, öffentlich geförderter Wasserstoffbusse ist vorgesehen. Das Zentrum engagiert sich für die Bereitstellung von kohlenstoffarmen und kohlenstofffreien Energie-, Transport-, Wärme-, Abfall- und Recyclinglösungen für ein grünes, sauberes und gesundes Birmingham. Unter Einbeziehung von Industrie, Wissenschaft und Kommunalverwaltung soll Tyseley Energy Park ein stärkeres Engagement und mehr Beschäftigung in kohlenstoffarmen Industrien erreichen, Innovationen anregen, neue Technologien demonstrieren und kommerziell tragfähige Energiesystemlösungen schaffen.
Minister Dulig stellte den britischen Gesprächspartnern die Anfang 2022 beschlossene sächsische Wasserstoffstrategie vor. »Wasserstoff wird zum Energieträger der Zukunft. Hergestellt aus erneuerbaren Energien macht er Europas Energieversorgung unabhängig und klimaneutral. Der Einsatz von grünem Wasserstoff ist für Sachsen von großer Bedeutung, in der Mobilität der Zukunft ebenso wie für die Transformation unserer Industrie. Der Freistaat besitzt schon eine nahezu vollständige Wertschöpfungskette für Wasserstofftechnologien. Mit dem neuen Hydrogen and Mobility Innovation Center HIC in Chemnitz verfügt Sachsen künftig auch über ein nationales Technologiezentrum, dass das gesamte Spektrum von der Brennstoffzelle bis zu den Fahrzeugen abdeckt – mit einem Fokus auf den Bereich der Schiene. Wir haben also beste Voraussetzungen, um die Zusammenarbeit zwischen Großbritannien und Sachsen bei Wasserstofftechnologien zu vertiefen«, so Dulig.
Hintergrund und Ausblick
Wirtschafts- und Verkehrsminister Martin Dulig besucht vom 15. bis 20. Mai Großbritannien. Die vom sächsischen Wirtschaftsministerium (SMWA) und der Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH (WFS) organisierte Delegationsreise soll dazu beitragen, die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Sachsen und dem Vereinigten Köngreich nach dem britischen EU-Austritt (»Brexit«) fortzusetzen und zu vertiefen. Minister Dulig wird von einer rund 25-köpfigen Delegation begleitet, die sich u.a. aus Vertretern von Clustern, Hochschulen und Kammern zusammensetzt.
Am Mittwoch setzt der Minister seine Großbritannien-Reise im industriellen Zentrum Loughborough fort. Dort ist ein Rundgang durch das Unternehmen Intelligent Energy, ein weltweit führender Hersteller für Brennstoffzellentechnik, vorgesehen. Danach fährt die sächsische Delegation weiter nach Edinburgh, in die Hauptstadt Schottlands.
Außenhandelsstatistik Sachsen – Großbritannien
Im Jahr 2021 exportierten sächsische Unternehmen Waren im Wert von rund 2,74 Milliarden Euro nach Großbritannien. Damit nahmen die sächsischen Ausfuhren nach Großbritannien im Vergleich zum Vorjahr um rund ein Drittel zu, nachdem sie im Jahr 2020 um 14 Prozent zurückgegangen waren.
Hinweis für Redaktionen
Über die Großbritannien-Reise von Minister Dulig berichten wir kontinuierlich auf der Internetseite und in den sozialen Medien des SMWA. Auf Anfrage stellen wir Fotos gern kostenfrei zur Verfügung.