Freistaat beauftragt Studie zur Optimierung der Anflugverfahren in Leipzig/Halle
15.08.2023, 15:39 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)
Dresdner Ingenieurbüro untersucht eine mögliche Reaktivierung des erprobten Point-Merge-Verfahrens
Das sächsische Verkehrsministerium (SMWA) hat auf Anregung des Fluglärmschutzbeauftragten (FLSB) eine wissenschaftliche Studie beauftragt, die eine optimierte Wiedereinführung des »Point-Merge«-Anflugverfahrens (PM) am Flughafen Leipzig/Halle untersuchen soll. Dabei werden auch wichtige Rahmenbedingungen wie die CO2-Bilanz durch einen höheren Kerosinverbrauch und die Lärmbetroffenheit berücksichtigt. Zum Projektstart trafen sich heute auf Einladung des FLSB Jörg Puchmüller und des beauftragten Unternehmens Fachleute der Luftfahrtbehörde, des Flughafens Leipzig/Halle, des Flughafens Berlin Brandenburg sowie des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie in Dresden.
»Im aktuellen Koalitionsvertrag hat sich die Sächsische Staatsregierung klar dazu bekannt, sich im Interesse der Bürger für eine weitere Reduzierung der Fluglärmbelastungen im Ballungsraum Leipzig/Halle einzusetzen. Insbesondere Leipzig und die südlichen sowie östlichen Gebiete um die Stadt könnten durch eine mögliche Wiedereinführung des PM-Verfahrens vom Fluglärm effektiv entlastet werden. Die jetzt beauftragte Studie wird zeigen, ob und unter welchen Bedingungen das umsetzbar ist«, sagt Ines Fröhlich, Staatssekretärin für Mobilität im Freistaat Sachsen.
Das PM-Verfahren basiert auf einem kreisbogenförmigen Anflugbereich. Durch diesen werden alle Flugzeuge über individuelle Anflugrouten zum so genannten »Merge Point« navigiert. Hier werden die Flugzeuge für den Landeanflug gebündelt und formieren sich in einer Art Reißverschluss-System in einer Reihe. Die Flugzeuge werden dann strahlenförmig zum Endanflug auf die Landebahn geführt.
Bei dem PM-Verfahren handelt es sich somit um ein flexibles Anflugverfahren ohne feste Routen. Hieraus ergeben sich Vorteile in Bezug auf die Flugeffizienz. Die Konzentration des Fluglärms nimmt hierdurch insgesamt ab.
Das PM-Verfahren wurde in Leipzig/Halle bereits in den Jahren 2015 bis 2019 eingesetzt und hatte insbesondere hinsichtlich seiner Lärmauswirkungen am Boden Vorteile gegenüber dem sonst praktizierten schleifenförmigen Trombonen-Anflugverfahren, welches flughafennäher über dichter besiedeltem Gebiet stattfindet und parallele Anflüge ermöglicht.
Allerdings stellten die Betreiber das PM-Verfahren Ende 2019 u.a. aufgrund von zu erwartenden Kapazitätsproblemen durch den wachsenden Flugverkehr ein. Der bei einer Weiterführung benötigte, wachsende Luftraumbedarf hätte bis in den Anflugbereich des Flughafens Berlin Brandenburg (BER) hineingereicht. Zudem wurden durch die Fluggesellschaften große Umwege bei geringer Verkehrslast beanstandet.
In zahlreichen Gesprächen des FLSB mit Fachleuten entstand die Idee, einen tageszeitlich abhängigen Umschaltbetrieb zwischen den beiden Anflugverfahren zu untersuchen. »Da der BER bis auf wenige Ausnahmen nachts nicht angeflogen wird, könnte am Leipzig/Halle Airport mit seinem 24-Stunden-Betrieb in der sensiblen Nachtzeit das PM-Verfahren und tagsüber das bisherige Trombonen-Verfahren angewendet werden«, sagt der Fluglärmschutzbeauftragte Jörg Puchmüller.
Mit der bis Herbst 2024 laufenden Untersuchung wurde nach europaweiter Ausschreibung das auf solche Projekte spezialisierte Dresdner Ingenieurbüro »Gesellschaft für Luftverkehrsforschung« (GfL) beauftragt. Finanziert wird die Studie vom SMWA.
Weitere Informationen zur Studie und zum PM-Verfahren
Eine Bestandsaufnahme des Ist-Zustandes bildet die Grundlage für mögliche Konfigurationen eines PM-Systems am Flughafen Leipzig/Halle. Hierzu analysieren die Fachleute verschiedene PM-Systemlösungen hinsichtlich Fluglärm und CO2-Emissionen. Dabei berücksichtigen sie den verkehrsreichen, räumlich nahegelegenen Flughafen BER und dessen luftraumseitige Anforderungen.
Im Ergebnis sollte idealerweise eine zwischen Tag und Nacht differenzierte Systemlösung vorliegen, um beiden internationalen Verkehrsflughäfen mit ihren jeweiligen von der Tageszeit abhängigen Anforderungen an den Luftraum gerecht zu werden. Hieraus wird eine Vorzugsvariante abgeleitet und diese in Abstimmung mit den Betreibern grob konzipiert.
Das PM-Verfahren wurde 2006 seitens der Europäischen Organisation zur Sicherung der Luftfahrt (EUROCONTROL) entwickelt und gilt als fortschrittlich, da durch dessen Struktur freie Kursanweisungen seitens des Fluglotsen nicht mehr erforderlich sind. Das Verfahren startete 2011 in Oslo und 2012 in Dublin und ist mittlerweile für 38 Flughäfen in 19 Ländern auf vier Kontinenten im Einsatz.