21 engagierte Bürgerinnen und Bürger erhalten Sächsischen Verdienstorden
13.10.2009, 11:00 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)
Dresden. Ministerpräsident Stanislaw Tillich überreicht heute aus Anlass „20 Jahre Friedliche Revolution“ einundzwanzig sächsischen Bürgerinnen und Bürgern in der Unterkirche der Frauenkirche den Sächsischen Verdienstorden. Mit dieser Auszeichnung ehrt der Freistaat Sachsen Menschen, die sich in Politik, Wirtschaft, Kultur, Sozialem, Gesellschaft oder Ehrenamt in herausragendem Maße engagiert haben.
Der Sächsische Verdienstorden wurde 1996 gestiftet und am 27. Oktober 1997 erstmals verliehen. Ihn können in- und ausländische Persönlichkeiten erhalten, die sich um den Freistaat Sachsen und seine Bevölkerung besonders verdient gemacht haben. Außerordentliche Leistungen auf politischem, sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und dem Gebiet der Umwelt über einen längeren Zeitraum – oder eine ganz außergewöhnliche Einzeltat – sind Kriterien für eine Verleihung. Insgesamt darf die Zahl der lebenden Ordensträger 500 nicht überschreiten. Bisher wurde der Sächsische Verdienstorden 166 mal verliehen.
Bei den heute Ausgezeichneten handelt es sich um:
Peter Adler (geb. 26.03.1940, Engagement in Dresden/Radeberg)
1989 war Peter Adler Mitbegründer einer Gruppe, deren Hauptanliegen es war, die Menschen in Radeberg und Umgebung für die Teilnahme an den politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen im Lande zu gewinnen. Am „Runden Tisch“ des damaligen Bezirkes Dresden und in der Arbeitsgruppe „Deutsch-Deutsche Beziehungen“ handelte er die demokratischen Strukturen für Sachsen und das wieder zu vereinigende Deutschland mit aus. Durch die erste frei gewählte Regierung der DDR wurde er zum Stellvertretenden Regierungsbevollmächtigten der
Bezirksverwaltungsbehörde Dresden ernannt. Von 1990 bis 2004 war Adler Mitglied des Sächsischen Landtags.
Hartwig Albiro (geb. 09.12.1931, Engagement in Chemnitz)
Als Direktor des Chemnitzer Schauspielhauses prägte Hartwig Albiro den Herbst 1989 in Chemnitz entscheidend mit. Er nutzte die Bühne, um Protestresolutionen seines Ensembles gegen die Staatsmacht öffentlich zu machen. Auch im Ruhestand hat Albiro wesentlich zur Stärkung der Zivilgesellschaft in Chemnitz beigetragen. So hat er den „Bürgerverein für Chemnitz“ mitgegründet und ist heute dessen Ehrenvorsitzender. Er ist einer der Initiatoren des „Chemnitzer Friedenspreises“, der jährlich Chemnitzerinnen und Chemnitzer auszeichnet, die sich aktiv gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit und für ein friedliches, tolerantes und weltoffenes Miteinander einsetzen.
Rudolf Albrecht (geb. 13.07.1942, Engagement in Meißen)
Sein Name steht für das „Meißner Friedensseminar“, das er 1975 gründete. Pfarrer Albrecht beriet und unterstützte junge Männer, die im Konflikt zwischen ihrem christlichen Glauben und der Wehrpflicht in der DDR standen. Rudolf Albrecht gehört zu den maßgeblichen Initiatoren der Friedens- und Versöhnungsarbeit in der sächsischen Evangelisch-Lutherischen Landeskirche.
Volker Bandmann (geb. 06.08.1951, Engagement in Görlitz)
Volker Bandmann initiierte im Herbst 1989 die Görlitzer Friedensgebete und war Gründungsmitglied des „Neuen Forums“. Am „Runden Tisch“ in seiner Heimatstadt trat er maßgeblich für ein demokratisches Görlitz ein. Seit 1990 ist Volker Bandmann Mitglied des Sächsischen Landtags. Das heutige Görlitz in seiner wieder geweckten Schönheit spiegelt ein großes Stück seines Engagements wider.
Dr. Martin Böttger (geb. 14.05.1947, Engagement in Chemnitz)
1976 und 1980 wurde Dr. Martin Böttger nach der Teilnahme an Maidemonstrationen mit einem selbstgefertigten Transparent vom Ministerium für Staatssicherheit „zugeführt“ und im September 1983 wegen „versuchter Teilnahme an einer Menschenkette zum Weltfriedenstag“ verhaftet. Dr. Martin Böttger war 1985 Mitbegründer der Initiative Frieden und Menschenrechte (IFM), deren Arbeitsgruppe ,,Menschenrechte und Justiz“ er leitete. Ebenfalls gehörte er zu den Mitbegründern des „Neuen Forums“ und „Bündnisses 90“ in Karl-Marx-Stadt. 1990 war er Mitglied der ersten frei gewählten Volkskammer. Von 1990 bis 1994 war er Abgeordneter des Sächsischen Landtages. Seit 2001 ist Böttger Leiter der Chemnitzer Außenstelle der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR.
Prof. Dr. Ing. habil. Peter Dierich (geb. 02.06.1942, Engagement in Zittau)
Peter Dierich war Mitglied einer Umweltgruppe, die als erste in der DDR ein illegales Informationsblatt herausgab. Das Blatt klärte über die Ursachen der Umweltverschmutzung im so genannten „Schwarzen Dreieck“ Zittau-Turow- Liberec auf. Peter Dierich war Mitbegründer des Neuen Forums Zwickau und maßgeblich an den ersten Friedensgebeten in der Johanniskirche Zittau beteiligt. Er war Abgeordneter der ersten freien Volkskammer. Von 1990 bis 1994 war er Mitglied des Sächsischen Landtags.
Johannes Gerlach (geb. 12.01.1954, Engagement in Chemnitz)
Johannes Gerlach zählte 1982 zu den Mitbegründern des Karl-Marx-Städter „Friedenskerns“, einer Koordinierungs- und Ökogruppe, die gegen die Aufstellung von Atomraketen in Deutschland protestierte. 1989 war er Organisator der ersten nicht spontanen Demonstration und Mitbegründer der Demokratisch-Oppositionellen Plattform in Karl-Marx-Stadt. Gerlach gehörte zu den Mitbegründern des Neuen Forums im damaligen Bezirk Karl-Marx-Stadt und nahm am „Runden Tisch“ des Bezirkes teil. Zudem wirkte er aktiv bei der Auflösung der Stasi-Bezirkzentrale. Im Januar 1990 wurde Gerlach in die letzte DDR-Volkskammer gewählt. Von 1990 bis 1999 und von 2002 bis 2008 war er Abgeordneter des Sächsischen Landtages.
Irmtraut Hollitzer (geb 08.08.1943, Engagement in Leipzig)
Irmtraut Hollitzer engagierte sich bereits in den 60er Jahren in kirchlichen Kreisen, nahm später an den Friedensgebeten in der Thomaskirche und an jeder Montagsdemonstration 1989 teil. Hollitzer war Gründungsmitglied des Bürgerkomitees Leipzig für die Auflösung der Staatssicherheit und von 2000 bis 2008 Mitglied des Stiftungsrates der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. In der Zeit zwischen 2000 und 2008 war sie leitende Mitarbeiterin der Gedenkstätte Museum in der Runden Ecke in Leipzig.
Thomas Jacob (geb. 30.04.1963, Engagement in Dresden und Dohna)
Thomas Jacob trat mit sechzehn Jahren aus der FDJ aus, den Wehrdienst verweigerte er. Er arbeitete im Umweltkreis Leubnitz-Neuostra und in oppositionellen Jugendgruppen mit. Jacob gehörte zu den Mitbegründern des Demokratischen Aufbruchs und engagierte sich ganz besonders für die erste demokratische Kommunalwahl in Sachsen.
Erwin Killat (geb. 20.03.1932, Engagement in Zwickau)
Erwin Killat war 1987 Mitbegründer der Arbeitsgruppe Konziliarer Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Mit Freunden aus dieser Arbeitsgruppe gründete Killat im September 1988 die Friedensbibliothek Zwickau. Diese trug ein Jahr später wesentlich zur Gründung des Neuen Forums in Zwickau bei. Killat war Organisator der ersten Friedensgebete und Anführer der ersten Demonstrationen für eine friedliche Wende in Zwickau.
Gerold Kny (geb. 10.04.1959, Engagement in Plauen)
Als Wehrleiter der Freiwilligen Feuerwehr Plauen opponierte er gegen den Einsatzbefehl der Volkspolizei, Tanklöschfahrzeuge gegen friedlich demonstrierende Menschen einzusetzen und legte seine humanistischen Beweggründe in einem Brief vom 8. Oktober 1989 an die Stadt Plauen offen.
Steffen Kollwitz (geb. 17.12.1964, Engagement in Plauen)
Steffen Kollwitz gehörte zu einer Gruppe von Mutigen, die sich nach der Kommunalwahl im Mai 1989 aufmachten, um in den Wahllokalen die Stimmen nachzuzählen und damit auf den Wahlbetrug aufmerksam zu machen. Am 7. Oktober 1989 war er an der ersten Großdemonstration der DDR in Plauen beteiligt.
Dr. Bernd Kunzmann (geb. 24.03.1952, Engagement in Dresden)
Dr. Bernd Kunzmann war Mitbegründer und einer der engagiertesten Repräsentanten des „Neuen Forums“ in Dresden. Als Delegierter des Koordinierungsausschusses auf der ersten DDR-weiten Delegiertenversammlung des Neuen Forums in Berlin vertrat er den Programmentwurf des „Neuen Forums“ des Bezirks Dresden. Darüber hinaus war Dr. Kunzmann aktiv in der „Gruppe der 20“ in Dresden. Von 1990 bis 1994 war er Mitglied des Sächsischen Landtages. Von 2002 bis 2004 war er Leiter des Informationsbüros des Europäischen Parlaments in Prag.
Martin Lerchner (geb. 21.01.1950, Engagement in Dresden)
Martin Lerchner war der erste Pfarrer in der 1982 im Dresdner Neubaugebiet Prohlis neu geweihten Kirche. Als Co-Moderator des „Runden Tisches“ des Bezirkes Dresden brachte Martin Lerchner ein, was die Menschen bewegte. Sein einfühlsames und doch unnachgiebiges Verlangen nach Veränderungen ließen ihn zu einem wichtigen Vermittler und Botschafter am Runden Tisch in Dresden und für Sachsen werden.
Frank Pörner (geb. 01.05.1950, Engagement in Leipzig)
Frank Pörner verfolgte kritisch die Stimmenauszählung bei der Kommunalwahl im Mai 1989. Seine Skepsis an der Richtigkeit des bekannt gegebenen Wahlergebnisses artikulierte er öffentlich. In der Folgezeit war er Mitorganisator des „Pleiße-Pilgermarschs“, Teilnehmer an den Montagsdemonstrationen und Friedensgebeten in der Nikolaikirche und Mitglied des „Neuen Forums“. Als Mitglied des Leipziger Bürgerkomitees saß er mit am „Runden Tisch“ und war an der Schaffung der neuen Strukturen im Leipziger Stadtrat beteiligt.
Johannes Schädlich (geb. 13.07.1942, Engagement in Thum-Chemnitz)
Johannes Schädlich beriet und unterstützte junge Männer in Sachen Wehrpflicht. Als Superintendent war er wichtiger Beistand für Wehrdienstverweigerer gegenüber den staatlichen Stellen. 1989 war er maßgeblich an der Gründung einer Aktivgruppe für demokratische Veränderung beteiligt und organisierte regelmäßige Diskussionsrunden in der St. Annenkirche Thum. Außerdem moderierte er den „Runden Tisch“ in Thum.
Andreas Schönfelder (geb. 05.03.1958, Engagement in der Oberlausitz):
Seine Berufsausbildung bei der WISMUT öffnete Andreas Schönfelder den Blick für die Umweltprobleme in der DDR. Seit 1977 arbeitete er in verschiedenen oppositionellen und ökologischen Netzwerken im Untergrund. 1989 war er Mitglied des „Runden Tisches“ Dresden und engagierte sich beim „Neuen Forum“. Er betreibt noch heute die Umweltbibliothek Großhennersdorf e.V. zum Zwecke der Aufklärung und des Nichtvergessens.
Burckhard Schulze (geb. 30.11.1949, Engagement in Bautzen)
Burckhard Schulze war als Pfarrer der evangelischen Kirchgemeinde St. Petri Bautzen und Sprecher der Bürgerinitiative „Strafvollzug Bautzen“ maßgeblich daran beteiligt, dass es nach den Amnestiebeschlüssen 1990 nicht zur Eskalation zwischen Bediensteten und von den Beschlüssen nicht erfassten Gefangenen kam. In Verhandlungen erreichte Pfarrer Schulze, dass jeder Fall der noch einsitzenden Gefangenen individuell geprüft wurde.
Arnold Vaatz (geb. 09.08.1955, Engagement in Dresden)
Arnold Vaatz wurde 1982 wegen Reservewehrdienstverweigerung für sechs Monate inhaftiert und gleichzeitig zur Zwangsarbeit im Stahlwerk Maxhütte (Unterwellenborn) verpflichtet. Doch sein Wille zur Veränderung wurde nicht gebrochen. 1989 schloss sich Vaatz dem Neuen Forum an und wurde dessen Pressesprecher. Als Stellvertreter des Regierungsbevollmächtigten des Bezirkes Dresden 1990 und von 1990 bis 1991 als Chef der Sächsischen Staatskanzlei wirkte er maßgeblich am Aufbau der neuen Verwaltung im Freistaat Sachsen mit. Von 1992 bis 1998 war er Sächsischer Staatsminister für Umwelt und Landesentwicklung. Von 1990 bis 1998 war Arnold Vaatz Mitglied des Sächsischen Landtages, seit 1998 ist er Mitglied des Deutschen Bundestages.
Dr. Herbert Wagner (geb. 21.09.1948, Engagement in Dresden)
Dr. Herbert Wagner gehörte am 8. Oktober 1989 zu der Gruppe von Dresdnern, die sich den bewaffneten Polizisten mutig entgegenstellte. Als Mitglied der „Gruppe der 20“ gehörte er zu den Verhandlungsführern, die den friedlichen Dialog mit der Dresdner SED-Führung unter dem damaligen Oberbürgermeister Wolfgang Berghofer suchte. Ab 1990 war Dr. Herbert Wagner kommunalpolitisch in Dresden aktiv, wo er nach den ersten freien Kommunalwahlen zum Oberbürgermeister gewählt wurde. Dieses Amt hatte er bis 2001 inne.
Dr. med. Ernst Wirth (geb. 08.08.1942, Engagement in Bischofswerda)
Dr. Ernst Wirth war Mitbegründer der ersten Bürgerinitiative, aus der später das Neue Forum Bischofswerda hervorging. Er organisierte die Montagsdemonstrationen in seiner Heimatstadt mit und war an der Auflösung der Stasi-Zentrale mitbeteiligt. Intensiv arbeitete er an der Bildung neuer Strukturen im Gesundheitswesen in seiner Heimat mit.