Kritik aus Sachsen am Bericht der Endlagerkommission
04.07.2016, 14:58 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)
Sonderbehandlung von Kristallingestein nicht akzeptabel
Die vom Bundestag eingesetzte Endlagerkommission hat ihre Arbeit beendet. Morgen wird der mehr als 600 Seiten starke Bericht an Bundestagspräsident Norbert Lammert übergeben. Mehr als zwei Jahre lang arbeitete das Gremium, dem Wissenschaftler, Vertreter von Kirchen, der Gewerkschaften, von Umweltverbänden und Energieversorgern sowie Politiker angehörten, unter ihnen auch Sachsens Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft, Thomas Schmidt, und Prof. Dr. Wolfram Kudla von der Technischen Universität Bergakademie Freiberg. Aufgabe der Kommission war es, auf wissenschaftlicher Basis Kriterien festzulegen, die ein künftiger Standort für ein Endlager für hochradioaktive Stoffe erfüllen muss sowie Verfahrensvorschläge, wie eine Auswahl des endgültigen Standortes erfolgen soll.
Der nun vorliegende Bericht gibt Empfehlungen zu den Auswahlkriterien, dem weiteren Prozess der Standortauswahl von der Erkundung über die Erschließung und die Einlagerung der Abfallstoffe bis zum Verschluss des Endlagers, zur Beteiligung der Öffentlichkeit, zu erforderlichen Änderungen von Gesetzen sowie zu politischen Leitlinien. Insgesamt wurde mit dem Bericht eine gute Grundlage geschaffen, um die Standortauswahl beginnen zu können. In drei Phasen (Festlegung von Standortregionen anhand vorhandener geowissenschaftlicher Daten; übertägige Erkundung von Standortregionen; untertägige Erkundung von Standorten) erfolgt die eigentliche Auswahl. In allen Phasen werden Sicherheitsuntersuchungen unter Berücksichtigung planungswissenschaftlicher Kriterien und sozioökonomischer Potenzialanalysen durchgeführt.
Minister Schmidt und Professor Kudla gaben zu einzelnen Punkten des Berichts Sondervoten ab. Staatsminister Schmidt: „Ich habe kein Verständnis dafür, dass die grundsätzlich für ein Endlager geeigneten Gesteinsformationen, also Salz-, Ton- und Kristallingestein, nicht gleichbehandelt werden“. So sollen für die sogenannte Barrierewirkung, also das Maß dafür, wie sicher die radioaktiven Stoffe auf lange Zeit in dem Gestein eingeschlossen sind, bei Ton und Salz ausschließlich die reine einschließende Wirkung des Gesteins betrachtet werden. Bei Kristallin sei dagegen auch eine Kombination aus der Wirkung des Gesteins und zusätzlicher technischer Barrieren zugelassen. „Wissenschaftlich gibt es dafür keine Begründung. Im Gegenteil, wenn wir uns auf technisch geschaffene Barrieren verlassen, gehen wir ins Risiko. Schließlich soll das Endlager für eine Million Jahre sichere Aufbewahrung bringen. Bei Gesteinsformationen wissen wir sicher, dass sie schon seit Millionen Jahren bestehen. Für technische Entwicklungen gibt es diese Sicherheit nicht“, so Schmidt.
Darüber hinaus nimmt der Bericht auch bei einer geologischen Mindestanforderung einseitig Abstriche bei Kristallingestein vor, und zwar an der Mächtigkeit der Gesteinsschichten. Hier sollen für Ton und Salz einhundert Meter gelten, für Kristallin sollen dagegen auch weniger mächtige Gesteinsformationen infrage kommen.
„Bei allen scharfen Auseinandersetzungen in der Kommission in den letzten zwei Jahren stellt der Bericht jetzt doch eine gemeinsam erarbeitete, hoffentlich zielführende Grundlage dar, wie ein vergleichendes Standortauswahlverfahren begonnen werden kann. Ziel ist es, einen Standort mit der bestmöglichen Sicherheit für die Lagerung der Abfallstoffe über extrem lange Zeiträume zu finden. Die geowissenschaftlichen Kriterien dazu und die Art und Weise der Bürgerbeteiligung bei der Standortauswahl sind im Bericht umfassend beschrieben“, erklärt Prof. Kudla. Sein Sondervotum bezieht sich auf das Temperaturkriterium und den „Wissenschaftlichen Beirat“, der das neue zu schaffende „Nationale Begleitgremium“ beraten soll.
Für den Freistaat Sachsen ändert sich nach dem Bericht der Endlagerkommission zunächst nichts. Einige Regionen in Sachsen kamen bisher grundsätzlich mit Kristallingestein, also zum Beispiel Granit, als Standort für ein Endlager infrage. Möglicherweise werden sie nun bei der fachlichen Sichtung vorhandener geologischer Daten mit auf ihre Eignung für eine weitere Erkundung bewertet. Ob das Ziel, bis 2031 über den Standort für das Endlager zu entscheiden und es 2050 in Betrieb zu nehmen, erreicht werden kann, bleibt aber zweifelhaft.