Mehr als eine Milliarde Euro jährlich für ostdeutsche Hochschulen – Wissenschaftsministerien fordern dauerhafte finanzielle Beteiligung des Bundes

19.06.2017, 11:27 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)

Wissenschaftsminister der Ostländer gehen mit gemeinsamer Position in die Verhandlungen mit der Bundesregierung

Die Wissenschaftsministerinnen und Wissenschaftsminister der fünf ostdeutschen Flächenländer fordern eine sichere und leistungsgerechte Finanzierung für die ostdeutschen Hochschulen nach dem Ende des Hochschulpakts von Bund und Ländern im Jahr 2020. In einem gemeinsamen Positionspapier zur Perspektive der Hochschulen in Sachsen, Thüringen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern formulieren die Länderressortchefs ihre Forderungen für die Verhandlungen mit der neuen Bundesregierung nach der Bundestagswahl im September. Sie kündigen an, ihre Position gemeinsam zu vertreten. Sie wollen sich dafür einzusetzen, dass eine Beteiligung des Bundes an der deutschlandweiten Sicherung guter Studienbedingungen ab 2020 in einer Hochschulfinanzierungsvereinbarung verstetigt wird, dass der Bund auch über 2019 hinaus deutschlandweit Mittel für den Hochschulbau und die wissenschaftliche Infrastruktur sowie die Universitätsmedizin zur Verfügung stellt und dass die Forschungsfinanzierung so gestaltet wird, dass für Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen gleich gute Rahmenbedingungen in Ost- und Westdeutschland geschaffen werden. Auch nach 2020 müsse die spezifische Situation der Hochschulen in den ostdeutschen Ländern durch spezielle Förderinstrumente berücksichtigt werden. Stärker als in den alten Ländern müssten Hochschulen in den neuen Ländern ihren Beitrag zur Innovationsstärke auch der Wirtschaft leisten. Die Hochschulen müssten in die Lage versetzt werden, mit ihren Leistungen in der Lehre, in der Forschung und im Transfer in die Region zu wirken, da sie maßgeblich für die wirtschaftliche und innovative Entwicklung verantwortlich sind. Dazu sei es notwendig, die Innovationsförderung sowie die Transferleistungen von Wirtschaft und Wissenschaft weiter auszubauen, die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften / Fachhochschulen noch stärker im Bereich der anwendungsbezogenen Forschung gezielt zu fördern sowie die bauliche und soziale Infrastruktur an den Hochschulen zu verbessern. Um ihre Forderungen umzusetzen, müssten eine Hochschulfinanzierungsvereinbarung sowie Programme für die wissenschaftliche Infrastruktur, für die Forschung, die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften und für die Innovationsförderung vereinbart werden.
Für die Sicherung attraktiver Studienbedingungen fordern die Ostministerinnen und Ostminister eine Beteiligung des Bundes an der Grundfinanzierung der Hochschulen. Die sei eine essentielle Grundlage zur Sicherung der hohen Zahl der Studienplätze und der attraktiven Studienbedingungen. Die Anstrengungen der vergangenen Jahre gegen den demografischen Trend im Osten müssten fortgesetzt werden. Zur Finanzierung der Hochschullehre sollte der Bund jährlich einen festen, nach Fachrichtungen differenzierten Betrag von 1.000 bis 2.000 Euro je Studierenden in der Regelstudienzeit zur Verfügung stellen. Darüber hinaus könnten Prämien für erfolgreich abgelegte Abschlussprüfungen gewährt werden. Die Humanmedizin könnte durch einen Betrag von 3.000 Euro je Studierenden besonders berücksichtigt werden. Der finanzielle Aufwand dafür läge für den Bund mit etwa 3 Milliarden Euro nur etwas höher als der gegenwärtige Aufwand von rund 2,5 Milliarden Euro im Rahmen des Hochschulpakts. Aus einer abzuschließenden Hochschulfinanzierungsvereinbarung entfielen auf die Ostländer rund 380 Millionen Euro jährlich.
Für den Abbau des Sanierungs- und Modernisierungsstaus an den Hochschulen und für die Digitalisierung seien jährlich bis zu 1,6 Milliarden Euro nötig. Ein entsprechendes Infrastrukturprogramm müsse mindestens 280 Millionen Euro jährlich für die Ostländer vorsehen. Die Programmpauschale der Deutschen Forschungsgemeinschaft solle für eine Neujustierung der Forschungsfinanzierung um 700 Millionen Euro angehoben werden, von denen etwa 90 Millionen Euro jährlich für die fünf ostdeutschen Länder zur Verfügung stehen sollen. Weil die Hochschulen in den fünf Ländern wesentlich dazu beitragen, die Schwäche bei den Ausgaben der vornehmlich kleinen und mittelständigen Unternehmen für Forschung und Entwicklung zu kompensieren, sollten sie dabei mit rund 200 Millionen Euro unterstützt werden. Die Mittel sollen den Nachholbedarf an Innovationsfähigkeit in strukturschwachen Regionen abbauen helfen. Für die Stärkung der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften sei mit Blick auf deren Entwicklungspotenzial ein Programm von 500 Millionen Euro jährlich nötig. Von denen müssten 100 Millionen Euro auf die Fachhochschulen der ostdeutschen Länder entfallen.
Insgesamt benötigen diese bundesweit geltenden Programme rund 6 Milliarden Euro pro Jahr. Das wären etwa 2 Milliarden Euro mehr, als der Bund derzeit an Mittelvolumen für Hochschulen und Forschung bundesweit zur Verfügung stellt. Von den künftig 6 Milliarden Euro jährlich müsste mindestens 1 Milliarde den ostdeutschen Ländern zugutekommen.
Sachsens Wissenschaftsministerin Dr. Eva-Maria Stange begründet die Forderung: „Die ostdeutschen Hochschulen verringern die Abwanderung und generieren Zuwanderung aus dem In- und Ausland. Sie sichern damit den Fachkräftenachwuchs in Wirtschaft und Gesellschaft. Sie sind das wirksamste Mittel gegen den Bevölkerungsrückgang in unseren Ländern. Die ostdeutschen Hochschulen schultern diese Belastungen auch, weil sie mit Hochschulpaktmitteln des Bundes unterstützt werden. Dieses befristete Instrument muss verstetigt werden. Denn unsere Hochschulen leisten einen wichtigen Beitrag zur Innovationsfähigkeit der Gesellschaft und der Wirtschaft. Dafür brauchen wir auch nach 2020 die Unterstützung des Bundes. Mit der Änderung des Grundgesetzparagrafen 91b und der Abschwächung des Kooperationsverbots wurde dafür die dauerhafte Voraussetzung geschaffen.“
Thüringens Wissenschafts- und Wirtschaftsministerin Wolfgang Tiefensee betont: „Die Hochschulen haben in Ostdeutschland viel mehr als in den alten Bundesländern die Rolle von Innovationstreibern für die Wirtschaft. Sie tragen zum Beispiel wesentlich dazu bei, die geringeren Forschungskapazitäten der überwiegend kleinen und mittelständischen Unternehmen auszugleichen. Sie sorgen für Fachkräftenachwuchs, der in den ostdeutschen Ländern wegen des akuten demographischen Wandels dringend gebraucht wird. Dieser spezifischen Situation sollte die künftige Innovationsförderung Rechnung tragen. Deshalb unterstützen wir zum einen den Vorschlag des Bundeswirtschaftsministeriums, Steuernachlässe für forschungsintensive KMU zu ermöglichen. Zum anderen muss das Bundesprogramm ‚WIR – Wandel durch Innovationen in der Region‘ künftig so ausgestattet werden, dass darüber mindestens 200 Millionen Euro jährlich für die Innovationsförderung Ost bereitgestellt werden können.“
Brandenburgs Ministerin Dr. Martina Münch fordert eine Neuausrichtung der Forschungsförderung. „Die Beteiligung des Bundes an der Finanzierung der Studienplätze ist von zentraler Bedeutung. Weiterhin wollen wir auch eine Neuausrichtung der Forschungsförderung: Forschungsinstitute sind wie die Hochschulen Anker der Wissenschaftslandschaft und der regionalen Entwicklung. Deshalb muss es das Ziel sein, die östlichen Länder beim Ausbau und der Ansiedlung außeruniversitärer Forschungseinrichtungen überproportional zu berücksichtigen und damit gezielt Forschungsschwerpunkte zu stärken. Die Forschungsinstitute sind wichtige Partner der Hochschulen und der Unternehmen. Den erforderlichen weiteren Ausbau und die Erneuerung der Forschungsinfrastruktur können die ostdeutschen Länder aus strukturellen Gründen noch nicht aus eigener Kraft stemmen“, betont Ministerin Dr. Münch.
Mecklenburg-Vorpommerns Wissenschaftsministerin Birgit Hesse verweist auf die Notwendigkeit, den Sanierungs- und Modernisierungsstau an den Hochschulen weiter zu reduzieren. „Es sind in den letzten 25 Jahren einige Hochschulneubauten in beachtlicher funktionaler und architektonischer Qualität entstanden. Trotzdem ist der Bedarf an Sanierung und Modernisierung an den Gebäuden vor allem im Zusammenhang mit der Digitalisierung weiterhin enorm. Durch den starken Zulauf an unseren Hochschulen und die Dynamik auf dem Mietmarkt brauchen wir auch preisgünstige Wohnmöglichkeiten für die Studierenden. Dafür benötigen wir die Unterstützung des Bundes, zumal ab 2020 die EU-Strukturmittel zurückgehen werden. Wenn sie nicht ersetzt werden, wäre das ein Rückschlag für die Modernisierung unserer Hochschulbauten“, unterstreicht Hesse.
Sachsen-Anhalts Wissenschaftsminister Prof. Dr. Armin Willingmann begründet den besonderen Fokus auf die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften. „Fachhochschulen werden durch die Programme des Bundes und der DFG nur eingeschränkt erreicht. Wir brauchen Förderinstrumente mit spezifischem Zuschnitt für die Stärkung der Forschungsförderung und die Entwicklung eines Mittelbaus mit Qualifizierungs- und Postdoc-Stellen an den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften. Diese Hochschulart wird immer wichtiger für die Deckung des Fachkräftebedarfs der regionalen Wirtschaft und den Kompetenztransfer in ihre Region. Deshalb benötigen sie auch eigens für sie zugeschnittene Fördermöglichkeiten“, erklärt Prof. Willingmann.
Die Ministerinnen und Minister wollen ihre gemeinsamen Vorstellungen über eine kontinuierliche Mitfinanzierung der Hochschulen nach der Bundestagswahl als gemeinsame Position in die Verhandlungen mit der Bundesregierung einbringen, damit die Hochschulen ab 2020 langfristige Planungssicherheit haben.


Kontakt

Sächsisches Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus

Pressesprecher Falk Lange
Telefon: +49 351 564 60200
E-Mail: falk.lange@smwk.sachsen.de
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