Querdenken-Demonstration in Leipzig am 10. April 2021 bleibt verboten

10.04.2021, 13:08 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)

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Sächsisches Oberverwaltungsgericht

Sächsisches Oberverwaltungsgericht

Medieninformation 11/2021

Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat heute in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (Eilverfahren) das Verbot der Stadt Leipzig für die aus dem Umfeld der Querdenker für Samstag, den 10. April 2021 um 15:30 Uhr, angemeldete Versammlung auf dem Augustusplatz in Leipzig (Opernseite) bestätigt. Damit blieb die in der letzten Nacht erhobene Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom gestrigen Abend (vom 9. April 2021 - 1 L 202/21 -) erfolglos, mit dem das Verwaltungsgericht den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen das Versammlungsverbot abgelehnt hatte.

Das Verwaltungsgericht war der Prognose der Stadt Leipzig gefolgt, wonach von der angemeldeten Versammlung infektionsschutzrechtlich nicht vertretbare Gefahren für Versammlungsteilnehmer, Polizeibeamte und Passanten ausgehen, die nur durch deren Verbot zu vermeiden sind. Angesichts der in Sachsen überdurchschnittlich hohen Infektionszahlen und der zunehmenden Verbreitung von Virusvarianten bestehe ein unkalkulierbares und nicht zu kontrollierendes Risiko. Nach den Erfahrungen aus vielen ähnlichen Versammlungen auch in anderen Städten sei nicht zu erwarten, dass von den Teilnehmern die nötigen Hygienemaßnahmen wie das Tragen eines medizinischen Mund-Nasen-Schutzes und das Abstandhalten eingehalten werden würden. Dort habe sich gezeigt, dass nicht nur ein signifikantes Einwirken auf die Teilnehmer solcher Versammlungen zur Einhaltung der Schutzmaßnahmen kaum möglich sei, sondern diese auch nicht gewillt seien, sich bestehenden Regelungen zu beugen. Zudem zeige die enorme Mobilisierung in den sozialen Netzwerken, dass mit erheblich mehr als den angemeldeten 500 Teilnehmern und auch mit mehr als den nach der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung maximal zulässigen 1.000 Teilnehmern zu rechnen sei. Der Antragsteller selber habe schließlich aufgezeigt, dass er weder willens noch in der Lage sei, die Versammlung auf eine bestimmte Teilnehmerzahl zu beschränken.

Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat diese Einschätzung auf die Beschwerde des Anmelders der Versammlung hin nunmehr bestätigt:

Es steht außer Frage, dass aufgrund der wissenschaftlich bekannten Übertragungswege des SARS-CoV-2-Virus durch Tröpfchen- oder Aerosolinfektion über die Schleimhäute und Atemwege das Risiko einer Virusverbreitung durch Versammlungen mit hoher Teilnehmerzahl sowie allgemein durch Zusammentreffen vieler Personen erhöht wird. Zur Bejahung einer unmittelbaren Gefährdungslage genügt es, dass das bundesweit anhaltende Ausbruchsgeschehen nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen auch im Zusammenhang mit Gruppenveranstaltungen steht, so dass auch Versammlungen unter freiem Himmel ein relevantes Infektionspotential zukommt. Denn auch bei ortsfesten Versammlungen kann es angesichts des dynamischen Geschehens durch die An- und Abreise, durch das zu erwartende Gedränge an den Einlassstellen sowie durch lautstarke Meinungsbekundungen zu Aerosolfreisetzungen kommen, bei denen der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann.

Auch die Tauglichkeit der Inzidenzen und der sog. Sieben-Tage-Inzidenz als Maßstab für zu ergreifende umfassende Schutzmaßnahmen ist nicht in Zweifel zu ziehen. Deshalb sind angesichts der Überschreitung des Schwellenwertes von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern bundesweit in den letzten sieben Tagen Maßnahmen zu ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen. Dafür ist aufgrund der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Deutschen Bundestag die Beschränkung der Versammlungsfreiheit kraft Gesetzes eine grundsätzlich geeignete und erforderliche Infektionsschutzmaßnahme.

Bei einer Abwägung der Folgen des Versammlungsverbots überwiegen schließlich die grundrechtlich durch Art. 2 Abs. 2 GG geschützten Interessen einer großen Anzahl Dritter (u. a. deren Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit) die Einschränkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 Abs. 1 GG. Dies gilt vor allem deshalb, weil die Inzidenzzahl in Leipzig bezogen auf die Infektionen pro 100.000 Einwohner in den letzten fünf Tagen weit über 50 lag, so dass eine effektive Kontaktnachverfolgung nicht mehr möglich ist. Zudem ist mit der Anreise von Teilnehmern auch aus Landkreisen zu rechnen, die eine höhere Inzidenz aufweisen. Das Risiko einer Weiterverbreitung des SARS-CoV-2-Virus könnte hingegen bei der Versammlung nicht durch geeignete Maßnahmen ausreichend gemindert werden.

Der Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist unanfechtbar.

SächsOVG, Beschluss vom 10. April 2021 - 6 B 177/21 -

  Thomas Tischer
– stv. Pressesprecher -


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